AHS-reife Kinder müssen kilometerweit pendeln oder weichen gleich auf eine andere Schulform aus. Laut Landesschulräten seien Fälle, in denen auf eine Hauptschule oder Neue Mittelschule ausgewichen wird, "Einzelfälle".
WIEN. Wer darf aufs Gymnasium? Formal ist alles klar: Hat ein Volksschulabsolvent im schlechtesten Fall einen Zweier in Deutsch und in Mathematik, darf er an eine AHS wechseln. Real findet aber nicht jeder einen Platz an seinem gewünschten Gymnasium. Viele müssen kilometerweit pendeln, oder sie weichen gleich auf eine Hauptschule aus. Beim Wunschgymnasium zum Zug kommen zuerst jene mit den besten Noten. Andere könnten durch die Finger schauen, selbst wenn sie AHS-reif sind.
Solche Fälle, in denen auf eine Hauptschule oder Neue Mittelschule (NMS) ausgewichen wird, seien „Einzelfälle“, heißt es bei mehreren Landesschulräten. So wie in Niederösterreich, wo zuletzt bekannt wurde, dass ein Schüler besonders weit (nach Laa/Thaya) pendeln müsste, um in die AHS zu gehen.
„Im Speckgürtel um Wien gibt es immer wieder kleinere Probleme“, so Elternvertreter Franz Schaupmann. „Auch, weil Niederösterreich Probleme bearbeitet, die in Wien liegen gelassen werden.“ Wiener Schüler würden zunehmend AHS in Niederösterreich stürmen, sagt Schaupmann. So werde der Platz für die Einheimischen knapp, die Klassen würden größer. Beim Wiener Stadtschulrat heißt es schlicht, alle AHS-reifen Kinder seien heuer in Gymnasien untergekommen.
2007 war die Lage im benachbarten Niederösterreich noch dramatisch – mit 200 AHS-reifen Kindern in Wiener Neustadt und Purkersdorf, die nicht im (Wunsch-)Gymnasium unterkamen. „Heuer konnten wir alle aufnehmen“, sagt Direktorin Maria Kornfeld vom BG Babenbergerring in Wiener Neustadt. „Wir haben alle untergebracht“, berichtet für ganz Niederösterreich Landesschulratspräsident Hermann Helm. „Mit einem leichten Druckpunkt auf Wolkersdorf, wo nun einige an die NMS statt ins Gymnasium gehen.“ Für Oberösterreich sagt LSR-Präsident Fritz Enzenhofer, es seien „alle untergekommen“. An jeder dritten AHS um den Preis, dass die angepeilte Klassenschüler-Höchstzahl von 25 doch auf maximal 30 ausgedehnt wurde.
Von anderen Erfahrungen berichtet der grüne Bildungssprecher und karenzierte AHS-Direktor Harald Walser: An „seinem“ Gymnasium in Feldkirch müssten „Jahr für Jahr AHS-reife Kinder abgewiesen werden, da die Gymnasien überfüllt sind“. Einen Platz bekomme nur, wer maximal einen Zweier hat. „Angesichts dessen ersparen viele Eltern ihren Kindern die Demütigung der Nichtaufnahme und melden sie gar nicht erst an.“
Gefahr der Lernblockade
Um den Druck von Eltern, ihre Kinder an einem Gymnasium unterzubringen, weiß Schulpsychologin Mathilde Zeman vom Wiener Stadtschulrat. Reicht die Leistung für eine AHS nicht, riskiere man aber Lernblockaden und Ängste. Manchmal, so Zeman, sollten Eltern lieber über einen späteren Wechsel von der Haupt- an eine berufsbildende Schule nachdenken.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2010)