Raumfahrt

„Die Psyche ist ganz wichtig“

Ins All zu fliegen ist der Traum vieler Menschen. Für ein paar kann er mit der aktuellen ESA-Ausschreibung Wirklichkeit werden.
Ins All zu fliegen ist der Traum vieler Menschen. Für ein paar kann er mit der aktuellen ESA-Ausschreibung Wirklichkeit werden. [ESA]
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Die Europäische Weltraumorganisation sucht zum ersten Mal seit elf Jahren wieder Astronauten. Gesucht werden keine Überflieger, sondern teamfähige, ausgereifte Persönlichkeiten.

Ein Flug ins All ist für viele der Traum ihres Lebens. Für einige könnte er in den nächsten Jahren Realität werden, denn erstmals seit elf Jahren startet die ESA, die Europäische Weltraumorganisation, Ende März wieder ein Auswahlverfahren – das dritte in der Geschichte der ESA. Gesucht werden vier bis sechs sogenannte Karriere-Astronauten, die als fix angestellte Mitarbeiter bei Weltraummissionen eingesetzt werden sollen. Darüber hinaus werden bis zu 20 Reserve-Astronauten, etwa für spezifische Missionen gesucht. Bewerben können sich Personen aus den 22 Mitgliedstaaten der ESA. Neben dem Höchstalter von 50 Jahren und einem abgeschlossenen technisch-naturwissenschaftlichen Studium müssen die Bewerber fließend Englisch und eine weitere Fremdsprache, etwa Russisch, sprechen sowie geistig und körperlich fit und emotional stabil sein. „Die Psyche ist ganz wichtig“, weiß Franz Viehböck, der im Oktober 1991 als bisher einziger Österreicher im Zuge der „Austromir“-Mission zur sowjetischen Raumstation Mir ins All geflogen ist. Aus dieser Ecke habe er auch für seine spätere Karriere – Viehböck ist CEO der Berndorf AG – viel mitnehmen können. „Ich habe sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Mission viel über Stress- und Konfliktbewältigung, Führung und Teamarbeit gelernt“, erzählt Viehböck, der die Auswahl als „sehr schwer“ und die Ausbildung als „hart“ bezeichnet.

Nicht abschrecken lassen

Dennoch sollte sich niemand, der sich halbwegs realistische Chancen ausrechne, vor der Bewerbung scheuen. „Es ist für jeden gut, diesen Auswahlprozess mitzumachen, da man viel über sich und die eigenen Grenzen lernt“, sagt Viehböck. Man sollte sich daher von den Anforderungen nicht einschüchtern lassen. „Astronauten sind keine Wunderwuzzis“, sagt Viehböck. Eine Meinung, die der deutsche ESA-Astronaut, Alexander Gerst, teilt: „Es kommt nicht darauf an, dass man alles gut kann oder ein Überflieger ist, sondern dass man mit den Leuten zurechtkommt“, sagte Gerst bei der Online-Pressekonferenz der ESA. Schließlich würden Missionen immer länger dauern, man würde Wochen oder Monate auf engstem Raum zusammen leben und arbeiten. Sowohl er als auch Viehböck haben in diesem Zusammenhang noch einen Tipp für potenzielle Bewerber, nämlich authentisch und ehrlich zu sein. „Die Auswahl ist ein Prozess, der sich über mehrere Monate zieht“, sagt Viehböck. Den Prüfern auf Dauer etwas vorzuspielen, sei anstrengend und nicht zielführend. „Kann man den ersten Eindruck nicht aufrechterhalten, schiebt man sich ins Abseits“, sagt der Astronaut, der Fleiß, Zielstrebigkeit und die Lust, Neues zu lernen, ebenfalls als wichtige Eigenschaften für künftige Astronauten ansieht.

Diese durchlaufen nach der Auswahl eine Basisausbildung, die von 1,5 auf ein Jahr verkürzt wurde, berichtet Rüdiger Seine, Leiter des Space Training Teams. Auf dem Programm stehen Fitness- und Überlebenstrainings genauso wie interkulturelle Techniken, der Aufbau und das Fliegen eines Raumfahrzeugs oder die Durchführung von Experimenten. Die darauf aufbauende Spezialausbildung bereitet danach auf die konkrete Mission, etwa auch zum Mond, vor. „Ein Punkt in der Ausbildung wird das Arbeiten auf planetaren Oberflächen sein“, sagt Seine.

Besonders sollen diesmal, wenn es nach der ESA geht, Frauen angesprochen werden. „Bei der letzten Bewerbungsrunde waren nur rund ein Sechstel Frauen“, sagt Gerst. Eine Frauenquote schließt Chiara Manfletti, Leiterin der Abteilung für Politik- und Programmkoordinierung, trotz des Ziels, eine gute Gender-Balance zu erreichen, allerdings aus.

Astronaut auch mit Handicap

Sie weist im Übrigen darauf hin, dass erstmals in der Geschichte der ESA Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen eingeladen werden, an einem Disability-Projekt teilzunehmen. „Im Sinn der Diversität starten wir ein Pilotprojekt Para-Astronauten“, so Manfletti. Demnach werden nun Personen mit einer körperlichen Beeinträchtigung unterhalb des Knies, extrem unterschiedlichen Beinlängen oder einer Körpergröße von unter 1,30 Metern zur Ausbildung zugelassen. „Nicht die körperlichen Anforderungen sollen Astronauten definieren. Wir wollen sehen, was notwendig ist, um einen Menschen mit körperlichen Einschränkungen auf eine Raumstation zu bringen“, sagt Seine. Wann genau das der Fall sein werde, sei allerdings noch offen.

INFORMATION

Bewerbung für ESA-Astronauten:

Die Einreichfrist läuft vom 31. März bis 28. Mai. 2021. Gefordert ist ein Master- oder gleichwertiger Abschluss in Physik, Biologie, Chemie, Mathematik, Ingenieurwesen oder Medizin plus drei Jahre Berufserfahrung, zwei Fremdsprachen und Fitness laut Anforderungen für Privatpiloten. Höchstalter 50 Jahre. Entscheidend sind zudem Teamfähigkeit und Zielstrebigkeit. www.esa.int

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2021)

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