Junge Forschung

Schnecken mit Cadmium-Salat

Veronika Pedrini-Martha forscht seit 14 Jahren am Institut für Zoologie an der Uni Innsbruck – mit zwei Unterbrechungen für Karenzzeiten.
Veronika Pedrini-Martha forscht seit 14 Jahren am Institut für Zoologie an der Uni Innsbruck – mit zwei Unterbrechungen für Karenzzeiten.Martin Gamper
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Die Zoologin Veronika Pedrini-Martha untersucht die Stressresistenz von Schnecken: Die Reaktionen auf Schwermetalle, Hitze und Sauerstoffmangel bringen wichtige Einblicke.

Nein, Schnecken essen, das kommt ihr nicht in den Sinn! Veronika Pedrini-Martha forscht seit Jahren an Schnecken, aber gekostet hat sie nur einmal. „Und das nur mit Überwindung“, lacht sie. Für ihre Arbeit ist es praktisch, dass die Weichtiere als Nahrungsmittel geschätzt werden, denn sie kann bei den Züchtern ihre Forschungsobjekte bestellen. „Schnecken essen boomt. Das hat vielleicht damit zu tun, dass immer mehr Menschen auf herkömmliches Fleisch verzichten“, sagt Pedrini-Martha. Ihr Interesse gilt nicht dem Geschmack der Schnecken, sondern ihrer Physiologie und der Fähigkeit, mit Stress gut umgehen zu können. Seit ihrer Diplomarbeit 2007 erforscht Pedrini-Martha Proteine im Stoffwechselsystem der Schnecken, die Metalle binden können.

Metallothioneine (MT) heißt die Gruppe dieser Eiweiße, die in allen Tiergruppen vorkommen und Schwermetalle abfangen können. „Bei vielen Schnecken sind die MT-Proteine besonders effizient und vielfältiger als in anderen Tieren“, sagt Pedrini-Martha. So können sie in der Natur Schwermetalle wie Cadmium (Cd) in großen Mengen anreichern, ohne Schaden zu nehmen. „Ein möglicher Grund, warum sich eine so effiziente Entgiftung entwickelt hat, könnte darin liegen, dass Cadmium im Körper leicht mit Kalzium verwechselt wird und wichtige Stoffwechselwege stören kann.“ Dies wurde bereits in anderen Tieren nachgewiesen, ist aber bei Schnecken noch kaum erforscht.

Entgiftung in der Weinbergschnecke

Während Pedrini-Martha in der Diplomarbeit noch an der Französischen Weinbergschnecke nach diesen MT-Eiweißen gesucht hat, arbeitet sie seit der Dissertation und im PostDoc am Institut für Zoologie der Uni Innsbruck mit diversen Schneckenarten, um die Vielfalt und Funktion dieser Eiweiße zu verstehen. Ein Beispiel ist die in Österreich heimische Weinbergschnecke, Helix pomatia. „Es geht auch um die Rolle dieser Eiweiße in der Bewältigung von Stress im Körper der Schnecken“, sagt die Tirolerin. Für manche Versuche bekommen die Tiere im Innsbrucker Labor entweder normale Salatblätter (Kontrollgruppe) oder solche, die mit Cadmium behandelt wurden. Dann untersucht Pedrini-Martha mit verschiedenen Methoden wie der quantitativen Echtzeit-PCR, ob diese Proteine und Gene in Cadmium-gestressten Schnecken aktiviert oder vermehrt produziert werden.

Eine entscheidende Frage ist, welche Regulatoren für die Aktivierung der MTs in der Schnecke wichtig sind. „Für Mäuse und andere Modellorganismen ist vieles bekannt. Es gibt gute Tools und Methoden, die aber bei Schnecken nicht oder nur teilweise angewendet werden können.“ Pedrini-Martha hat weltweit erstmals einen möglichen Regulator der MT-Gene in der Weinbergschnecke, den sogenannten MTF1-like, entdeckt: „Das L'Oreal-Stipendium hat es mir ermöglicht, den MTF1-like weiter zu erforschen. Vor Kurzem haben wir auch ungewöhnlich lange MTs entdeckt, die aus mehreren Einheiten bestehen.“ Die Frage ist hier: Können diese langkettigen MTs genauso gut Schwermetalle binden? Welche Rolle spielen sie bei der Stressantwort in den Schneckenarten?

Pedrini-Martha findet diese Tiergruppe spannend, weil es so viele ökologische Anpassungen gibt. Immerhin haben Schnecken fast alle Habitate der Welt erobert, sich sogar an die Wüste angepasst. Mit dieser Grundlagenforschung baut das Team der Uni Innsbruck Wissen über wichtige Stoffwechselvorgänge auf: Wie konnte sich diese artenreiche Tiergruppe im Laufe der Erdgeschichte wiederholt an verschiedene Lebensräume anpassen? Aktuell testet Pedrini-Martha neben der Schwermetallbelastung auch Umweltstress durch Hitze oder Sauerstoffmangel und schaut, welche Reaktionen die MTs verschiedener Schnecken zeigen.

Dass ihre Forscherkarriere bisher durchgehend in Innsbruck stattgefunden hat, im selben Institut seit 14 Jahren, freut die junge Mutter. „Nur für Hobbys bleibt keine Zeit mehr: Früher war ich gern wandern oder habe Querflöte gespielt. Aber 30 Wochenstunden im Labor sind ein absolutes Minimum, um als PostDoc eine gute Leistung zu bringen.“

ZUR PERSON

Veronika Pedrini-Martha (37) forscht im FWF-Projekt von Reinhard Dallinger an der Uni Innsbruck zur Ökophysiologie diverser Schnecken. Mit einem L'Oreal-Stipendium ist sie bis April auch in der Forschungsgruppe Umweltstress und Genregulation (Leitung: Martina Höckner) beschäftigt. Erfahrung im Ausland sammelte sie während einer Weltreise auch bei einem biologischen Praktikum in Neuseeland.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2021)

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