Hans Kribbe hat ein Jahrzehnt lang den Kreml in seinen Beziehungen zur EU beraten. Er rät der Union, ihren Traum einer unpolitischen Welt ohne Grenzen gegen einen nüchternen Blick auf ihre autoritären Nachbarn zu tauschen.
Die Presse: Sie argumentieren, dass die EU nach nun mehr als einem Jahrzehnt dauerhafter Krisen und angesichts einer Welt autoritärer Diktatoren nüchtern über ihr Verhältnis zu roher Macht nachdenken sollte. Hatten Sie da einen Aha-Moment?
Hans Kribbe: Für mich war Donald Trump der Aha-Moment. Das war ein enormer Rückschlag für Europa. Wenige konnten glauben, was er sagte und tat. Ich begann da mein Buch zu schreiben.
Was verstehen westliche Liberale am Erfolg von Männern fürs Grobe wie Trump, Putin, Xi, Erdoğan oder Orbán nicht?
In Europa haben wir bisher an eine Welt ohne Grenzen geglaubt. In der Identität immer unwichtiger würde. Aber wir sehen jetzt, dass dieses Modell zusammenbricht. Es gibt ein Verlangen nach Identität, nach Wurzeln, nach Heimat. Europa ist nicht nur leerer, wachsender Raum in der Welt, sondern auch ein konkreter, abgegrenzter, realer Ort. Die Politik der EU stößt insofern an ihre Grenzen.
Werden sich Europas Spitzen dessen bewusst, dass unser Modell an Strahlkraft verliert?