Roma haben ein soziales Problem, aber es gibt dennoch keinen Grund, sie rechtlich anders zu behandeln als andere EU-Bürger.
Wie sollen wir mit ihnen umgehen? Viele von ihnen leben nicht so wie wir, sie arbeiten nicht so wie wir. Roma sind anders. Doch darf deshalb für sie auch ein anderes Recht gelten?
Natürlich darf es das nicht. Ein Grundsatz unserer Rechtsordnung ist, dass vor dem Recht alle gleich sind – auch die Schwierigen. Sie dürfen die Freizügigkeit in Europa ausnützen, dürfen ihre Lager dort aufschlagen, wo ihnen das gestattet wurde. Und sie dürfen selbstverständlich ihren Lebensunterhalt auf andere Weise als mit einem 40-Stunden-Job verdienen. Solange sie keine kriminellen Handlungen setzen oder das Sozialsystem ihres Aufnahmelandes missbrauchen, dürfen sie als EU-Bürger bleiben, wo sie wollen. Das ist so in den gemeinsamen Verträgen festgeschrieben und muss deshalb auch von Frankreich akzeptieren werden. Die Abschiebung von 8000 Roma war schlicht illegal. Da kann Nicolas Sarkozy gemeinsam mit seinem Freund Silvio Berlusconi bei dem EU-Gipfel poltern, wie er mag. Ohne Einzelprüfung eines individuellen Vergehens darf es auch für Roma keine Beschränkungen geben.
Diese Tatsache entbindet die Politik natürlich nicht davon, das Problem zu lösen. Es muss für Roma in der EU eine legale Möglichkeit gefunden werden, würdevoll zu leben – etwa mit legalen Lagerplätzen, mit variablen Bildungsmöglichkeiten wie für andere Minderheiten auch. Mit allen Pflichten, ohne Freibrief, aber mit Respekt. (Bericht: S. 4)
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2010)