Gegen „pauschalen Missbrauchsverdacht“ – Staatssekretärin Marek steht zu Plänen - für sie ist Straßenkehren oder Rasenmähen vorstellbar.
Wien/Graz (red.).Sollen Bezieher einer sozialen Mindestsicherung nach sechs Monaten ohne Arbeit zu gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden? Dieser Vorstoß der Wiener ÖVP-Spitzenkandidatin und Familienstaatssekretärin Christine Marek stößt auch in der katholischen Kirche auf massive Vorbehalte, die keine Freude mit dieser Form der Debatte um Sozialleistungen hat. Es dürften „nicht die Schwächsten immer wieder unter einen pauschalen Missbrauchsverdacht gestellt werden“, warnte Wiens Caritas-Chef Michael Landau. Die Caritas trete für Missbrauchsbekämpfung ein, man solle den Fokus aber nicht nur „auf die Schwächsten, die sich nicht wehren können“ legen.
Von Wiens Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn gibt es dafür ausdrücklich Rückendeckung. Dieser wollte zwar nicht unmittelbar zur Mindestsicherung Stellung nehmen, er könne aber Landaus Aussagen in dieser Frage „nur unterstreichen und mir zu eigen machen“, betonte Schönborn am Donnerstag bei einer Pressekonferenz zur Freiwilligenarbeit in den Pfarren der Erzdiözese.
Im Büro der Familienstaatssekretärin wollte man Schönborns Haltung auf Anfrage nicht kommentieren. Marek steht aber weiter zum Vorschlag einer Arbeitspflicht. Für sie ist Straßenkehren oder Rasenmähen vorstellbar. Details seien Verhandlungsgegenstand: „Das würden wir gern mit dem Koalitionspartner SPÖ besprechen.“
In der ÖVP-Bundeszentrale wurde präzisiert: Die Arbeitspflicht für gemeinnützige Tätigkeiten in Gemeinden oder in Hilfsorganisationen solle sechs Monate, mit zweimaliger Verlängerungsmöglichkeit also höchstens 18 Monate dauern. Die Abgeltung könne man noch überlegen.
BZÖ gegen „Versandhauspolitik“
Vor den beginnenden Verhandlungen der Regierung über das Budget 2011 wandte sich Schönborn mit einer generellen „dringenden Bitte“ an Politik und Wirtschaft: Die Sparmaßnahmen müssten sozial gerecht erfolgen. Für Maßnahmen zur Budgeterstellung solle es eine „Sozialverträglichkeitsprüfung“ geben, forderte Landau.
BZÖ-Chef Josef Bucher macht sich dafür stark, „Generationengerechtigkeit“ in der Verfassung zu verankern. „Unser Auftrag ist es, für künftige Generationen in die Fluten zu springen“, erklärte er zum Auftakt der zweitägigen Klausur des BZÖ-Klubs in Graz. Der „Versandhauspolitik – heute bestellen, morgen zahlen“ – müsse ein Riegel vorgeschoben werden.
AUF EINEN BLICK
■Arbeitspflicht. Wiens ÖVP-Chefin Staatssekretärin Christine Marek hat vorgeschlagen, Sozialhilfebezieher sollten nach sechs Monaten ohne Job zu gemeinnütziger Tätigkeit – Straßenkehren in Gemeinden oder Betreuung von Pflegebedürftigen – verpflichtet werden. Die SPÖ ist dagegen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2010)