Ein Pestarzt in Rom 1656. Kupferstich von Paul Fürst.
LITERATUR

Giftsalber und Heilige

In seinem berühmten Roman „Die Verlobten“ hat Alessandro Manzoni für Goethe streckenweise „den Rock des Poeten ausgezogen“ und sich als nackter Historiker präsentiert – vor allem in der Schilderung der Mailänder Pest von 1630.

Der 200 Jahre alte Roman „I promessi sposi“ („Die Verlobten“) von Alessandro Manzoni (1785 bis 1873) erscheint – coronabedingt – so aktuell und so bestürzend wie zur Zeit seines Erscheinens. Goethe stand mit dem Autor seit dessen Ode auf Napoleons Tod, „Der fünfte Mai“ (1821), in enger Verbindung. Im Gespräch mit Eckermann rühmte er die „epochale Bedeutung“, ja „Vollkommenheit“ des 1827 erschienenen Romans, an dem Manzoni seit 1821 gearbeitet hatte, in jenen Jahren, da die Heilige Allianz nationale und soziale Bewegungen in Südeuropa, namentlich in Italien, zu unterdrücken versuchte.

Die krasse Schilderung der Mailänder Pest von 1630 veranlasste Goethe, der damals gleich gestimmt an „Wilhelm Meisters Wanderjahren“ arbeitete, zur kritischen Bemerkung, dass der Autor hier „den Rock des Poeten auszieht und eine ganze Weile als nackter Historiker dasteht“. In den Pestepidemien ging das Gerücht um, dass „untori“ (Giftsalber) aus Leichengift hergestellte Hexensalben an Häuser und Türen schmierten, um die Ansteckung zu verbreiten. In diesen Verdacht gerät der junge Seidenspinner Renzo auf der Suche nach seiner Braut Lucia im verstörten, chaotischen Mailand.

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