Wie sehr wird der Mensch die Gene des Menschen verändern? Die Präsidentin der Schweizer Ethikkommission Andrea Büchler über die Grenzen der Fortpflanzungsmedizin.
In dieser Ausgabe geht es um die Fragen: Was darf der Mensch und was soll der Mensch? Wie laufen Entscheidungsprozesse zu solchen Ethikfragen in der Schweiz ab? Und wie die Gesetzwerdung?
Andrea Büchler: Ich bin Juristin und zugleich Präsidentin der Nationalen Ethikkommission, und es ist wichtig, die ethische und die rechtliche Ebene zu trennen. Nicht alles, was von einigen als moralisch problematisch angesehen wird, soll und darf verboten werden. Die reproduktive Autonomie ist Teil des verfassungsmäßigen Rechts der persönlichen Freiheit, das heißt, Eingriffe in diese Autonomie müssen mit einem öffentlichen Interesse oder mit dem Schutz von Rechten Dritter begründet werden und verhältnismäßig sein. Das Schweizer Bundesgericht erachtet auch die Verwirklichung des Kinderwunsches mittels Fortpflanzungsmedizin als Aspekt der persönlichen Freiheit. Was die demokratischen Prozesse betrifft, so sind diese in der Schweiz ausgeprägt. Über die Präimplantationsdiagnostik (PID, Anm.: genetische Untersuchung eines in-vitro-gezeugten Embryos vor dem Einsetzen in die Gebärmutter; in Österreich seit 2015 erlaubt), die bis 2017 verboten gewesen ist, hat das Volk zweimal abgestimmt. Einmal über die Verfassungsänderung, um die PID zu ermöglichen, und das zweite Mal über das Gesetz, gegen welches das Referendum ergriffen wurde.