12 Jahre „Die Presse am Sonntag“

Anne-Sophie Mutter: „Wir leiden unter Phantomschmerzen“

Anne-Sophie Mutter: „Ich bin ein resilienter Mensch. Das hat mit meinen Lebensjahren zu tun und damit, dass ich schon vieles, auch viel Schweres erlebt habe.“
Anne-Sophie Mutter: „Ich bin ein resilienter Mensch. Das hat mit meinen Lebensjahren zu tun und damit, dass ich schon vieles, auch viel Schweres erlebt habe.“ Kristian Schuller
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Die Geigerin Anne-Sophie Mutter ist empört, wie sich Politiker während der Coronapandemie gegenüber Künstlern verhalten. „So kann man mit mündigen Bürgern nicht umgehen!“, sagt sie.

Als wir vor einem Jahr miteinander sprachen, hatten Sie Corona und befanden sich in Quarantäne.

Anne-Sophie Mutter: Ach ja, zurück zum Start. Ich habe zwar noch kein zweites Mal Corona bekommen, aber nach der Quarantäne ist immer noch vor der Quarantäne. Jetzt bin ich gerade in Tirol und habe sie schon hinter mir. Wenn ich nun aber zurück nach Bayern fahre, habe ich sie wieder vor mir. Wie sich die Bilder gleichen.

Was haben Sie die vergangenen zwölf Monate über den Stellenwert von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft gelernt?

Man muss klar unterscheiden zwischen der Stellung, die Politiker der Kunst zumessen, und jener, die ihr die Gesellschaft tatsächlich gibt. Die Politik sieht die Kunst irgendwo zwischen Freibad und Bordell. Aber das entspricht nicht der Bedeutung, die sie für die Gesellschaft hat. Kürzlich las ich eine Umfrage in der „Süddeutschen Zeitung“. Dabei wurde gefragt, was den Menschen derzeit am meisten fehlt. Die Teilnehmer durften nur drei Wünsche nennen. Nun kam die Kunst zwar nicht auf die Plätze eins bis drei; aber die Sehnsucht, eine künstlerische Veranstaltung zu besuchen, lag weit vor dem Wunsch, an einer Sportveranstaltung teilzunehmen. Das hat mich sehr positiv gestimmt. Dasselbe gilt für Museen, denken Sie an die Andy-Warhol-Ausstellung in Köln. Als es erstmalig möglich war, Tickets online dafür zu kaufen, sind die Server zusammengebrochen, die Ausstellung ist auf Wochen ausverkauft. In der Kunst erleben wir die Lust an der ekstatischen Auflösung, die man sonst wohl nur in der Liebe finden kann. In der Gemeinschaft können wir sie vielleicht beim Tanzen, aber auf jeden Fall beim Erleben eines Live-Musikevents erfahren.

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