Leberzirrose

Fettleber: Kein Kavaliersdelikt

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In Österreich grassiert eine regelrechte Fettleber-Epidemie. Das ist umso dramatischer, als die Fettleber oft eine Vorstufe für ernste Erkrankungen bis hin zum Leberkrebs ist.

Irgendwo zwischen Kavaliersdelikt und Statussymbol seien Fettlebererkrankungen in der Wahrnehmung heimischer Patienten, aber auch Ärzte angesiedelt, meint Elmar Aigner, leitender Oberarzt an der Salzburger Universitätsklinik für Innere Medizin I. Diese „Bagatellisierung“ sei mit ein Grund dafür, dass sich eine „Fettleber-Epidemie“ auch in Österreich breitmacht: „Jeder dritte Österreicher ist betroffen, bei den 50- bis 60-Jährigen sind es sogar 35 bis 50 Prozent.“

Dahinter stecke nicht mehr nur der Alkohol. Vielmehr sei „die sogenannte nichtalkoholische Fettleber ein mindestens gleich großes, wenn nicht größeres Problem“. Auch sie könne sich über die Jahre zu einer nichtalkoholischen Fettleberhepatitis, auf Englisch abgekürzt NASH, entwickeln: „Drei bis fünf Prozent der Bevölkerung leiden unter dieser gefährlichen Form von Fettlebererkrankung.“

»„Fettleber ist längst keine reine Alterserkrankung mehr, die nichtalkoholische Form tritt bereits bei Jugendlichen auf.“ «

Essen: falsch und zu viel. Schuld sei meist „eine Kombination aus genetischen Komponenten und einem ungesunden Lebensstil“, wobei die Ernährung eine zentrale Rolle spiele: Wir essen das Falsche und davon zu viel: zu viele schnell verfügbare Kohlenhydrate, zu viele minderwertige Fette. Was die Leber nicht mehr abbauen oder speichern kann, lagert sich als Fett im Lebergewebe ein und das kann mit der Zeit zu einer Leberentzündung führen. Gegensteuern kann man bis dato nur durch Eigeninitiative: gesunde Ernährung – am besten orientiert an der mediterranen Diät mit viel Gemüse und Obst –, mehr und regelmäßige Bewegung und Alkoholverzicht. Zentral sei dabei der Faktor Gewichtsreduktion, sagt Aigner: „Studien belegen, dass schon eine Gewichtsreduktion von sieben bis zehn Prozent die meisten Folgen einer NASH rückgängig machen kann.“ Es werde aber auch bereits intensiv an Medikamenten geforscht, etwa solchen, die den Zuckerstoffwechsel optimieren, einige stünden knapp vor der Zulassung.

Wie Diabetes Typ 2, Adipositas oder Gefäßverkalkungen sei auch die Fettleber längst keine reine Alterserkrankung mehr. „Heute sehen wir schwere Stoffwechselstörungen, so auch die nichtalkoholische Fettleber, bereits bei Jugendlichen und teils sogar Volksschulkindern.“ Es sei vor allem hoher Zuckerkonsum, der die „Epidemie“ vorantreibe. „Schlecht sind insbesondere schnell verfügbare Zucker wie der Fruchtzucker, aus dem etwa der normale Haushaltszucker zur Hälfte besteht.“ Auch die besonders bei Kindern und Jugendlichen beliebten Soft- und Energydrinks enthalten meist große Mengen davon. „Alles, was flüssig und süß ist, ist besonders ungünstig für den Stoffwechsel“, bringt es Aigner auf den Punkt.

Fatalerweise verursacht auch eine geschädigte Leber kaum Schmerzen. Somit können sich Fettlebererkrankungen bis hin zum Leberkrebs weitgehend unbemerkt entwickeln. Aigner: „Die Patienten berichten allenfalls von sehr allgemeinen Symptomen wie einem Druck im Oberbauch, Völlegefühl oder auch Müdigkeit.“

Hauptursache für Leberkrebs. „Fettleberhepatitis, insbesondere die nichtalkoholische Form, dürfte schon bald die häufigste Ursache für Leberzellkrebs und damit Indikation Nummer eins für Lebertransplantationen sein“, sagt Stefan Schneeberger, Leiter der Transplantationschirurgie und der Hepatobiliären Chirurgie an der Med-Uni Innsbruck. Bis vor wenigen Jahren gingen die meisten Leberzellkarzinome auf eine durch das Hepatitis-C-Virus hervorgerufene Leberentzündung zurück. Als dann eine erstaunlich effektive Therapie breit verfügbar wurde, habe zwar die Zahl der virusbedingten Lebertumoren stark abgenommen. Der Anteil der durch eine Fettleber verursachten Tumoren sei jedoch gestiegen, weshalb sich die Gesamtzahl der Fälle seit gut zehn Jahren kaum verändere: Etwa 600 bis 700 Menschen fänden sich hierzulande jedes Jahr mit der Diagnose Leberzellkrebs konfrontiert.

Ein Leberzellkarzinom entwickelt sich in den meisten Fällen auf Basis einer Zirrhose, wobei es in der Behandlung des Karzinoms wenig entscheidend ist, ob ein Virus oder ungesunde Ernährung bzw. Alkohol die Erkrankungsursache ist: „Als Folge einer Serie von Entzündungen entstehen Narben, sogenannte Fibrosen, und schließlich eine Zirrhose, in der der Tumor wachsen kann“, erklärt Schneeberger. Die meisten Leberzellkarzinome treten im höheren Lebensalter auf, „weil es ein Schaden ist, der mit der Zeit kumuliert. Aber der Start ist viel früher. Selten, aber doch, sehen wir sogar bei jüngeren Menschen bereits entsprechende Tumoren.“

Leberzellkrebs habe somit eine jahrelange „Vorgeschichte“, während der immer mehr Leberzellen in funktionsloses Bindegewebe umgewandelt würden, ohne dass die Betroffenen Beschwerden verspürten. Das liege daran, dass „das Organ den Verlust der Leberzellen sehr lang kompensieren kann“. Das erklärt auch, warum die Leberwerte im Blutbild oft nur bedingt aussagekräftig sind: Sie bleiben auch dann noch unauffällig, wenn längst eine Erkrankung vorliegt. „Lässt sich etwa eine schlechtere Blutgerinnung nachweisen, ist quasi schon Feuer am Dach. Dann liegt der Verdacht nahe, dass bereits sehr viel Lebergewebe umgebaut wurde und das Organ nicht mehr genügend Protein zur Blutgerinnung produzieren kann“, erklärt der Experte. Noch stünden im klinischen Alltag keine Biomarker zur Früherkennung von Leberzellkarzinomen zur Verfügung. Wie bei anderen Krebsarten dürften auch hier genetische Faktoren an der Entstehung beteiligt sein. Aber auch da sei noch zu viel im Dunkeln, als dass man an breit angelegte Vorsorgeuntersuchungen denken könnte, wie beispielsweise die Mammografie im Rahmen der Brustkrebsfrüherkennung.

Ultima ratio Transplantation? Oft werde die Erkrankung erst in diesem Stadium entdeckt – „zu einem Zeitpunkt, an dem alle Therapien außer der Transplantation meist nur vorübergehend wirken“, sagt Schneeberger. Es gebe zwar Patienten mit lokal behandelbaren Lebertumoren. „Dann ist eine Operation oder eine Lokaltherapie, wie etwa die Ablation, der erste Therapieansatz, um den Tumor unter Kontrolle zu bringen. In einzelnen Fällen kann das dazu führen, dass der Krebs jahrelang nicht wiederkehrt.“ In der Regel komme er jedoch relativ bald zurück. Dann biete die Transplantation „eine echte Chance: 60 bis 80 Prozent und mehr Tumorheilungsraten sind sensationell“, betont der Transplantationsexperte. Problematisch sei, dass zwar viele Patienten von einer Transplantation profitieren könnten, es aber „bei Weitem nicht genügend Organe“ gebe, was die behandelnden Ärzte immer wieder vor extrem schwierige ethisch-moralische Entscheidungen stelle.

Komme der Patient nicht für eine Lebertransplantation infrage, müsse man prüfen, ob alternative Lokaltherapien und/oder eine Chemotherapie sinnvoll sind oder nicht. Schneeberger: „Nicht jeder spricht darauf an und dann bleibt eigentlich nur die palliative, also symptomlindernde, Therapie, die manchmal auch über längere Zeit gut gehen kann.“

Gesundheits-Info:

Formen von Leberkrebs

In der Leber können unterschiedliche Arten von bösartigen Tumoren auftreten. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen primärem und sekundärem Leberkrebs: Der eine entsteht direkt in der Leber, der andere bildet dort nur Metastasen, während der eigentliche Tumor anderswo lokalisiert ist. „Besonders Darm-, Magen- und Brustkrebs streuen Tumorzellen über die Blutbahn in die Leber“, weiß Stefan Schneeberger.

Das Leberzell- oder hepatozelluläre Karzinom ist die häufigste Form von primärem Leberkrebs. Ihm geht praktisch immer eine Zirrhose voraus.
Neben weiteren, sehr seltenen Formen von primärem Leberkrebs können auch Gallengangstumore in der Leber liegen. Sie sind nicht immer leicht vom Leberzellkarzinom zu unterscheiden.

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