Interview

Caroline de Gruyter: „EU ist wie Habsburgerreich eine Wurstfabrik“

Da war er nur mehr Privatier: Kaiser Karl I. mit Kaiserin Zita und den Kindern 1921 im Schweizer Exil.
Da war er nur mehr Privatier: Kaiser Karl I. mit Kaiserin Zita und den Kindern 1921 im Schweizer Exil.Getty Images
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Caroline de Gruyter hat die Parallelen zwischen Habsburgerreich und Europäischer Union erkundet. Deren wichtigste: Reformträgheit und missgünstige Nachbarn machen den Kompromiss und das Weiterwursteln unersetzlich.

Brüssel. An einem Wintertag kurz nach der Flüchtlingskrise 2015 hatte Caroline de Gruyter im Hafen von Dubrovnik ein Aha-Erlebnis. In einer Pause zwischen zwei Sitzungen eines Seminars über Europa nahm die langjährige EU-Analystin und Korrespondentin der niederländischen Zeitung „NRC Handelsblad“ an einer Führung durch die Altstadt teil. „Beim alten Hafen“, erzählt de Gruyter im Gespräch mit der „Presse“, „zeigte unsere Führerin, eine junge, sehr europäische Frau, die Erasmus gemacht hatte, sehr gut Englisch und Französisch sprach, auf ein großes, schön renoviertes Gebäude und sagte: ,Das ist die alte Zollstation aus der Habsburgerzeit. Dort wurden Menschen und Waren in Quarantäne untergebracht. Wir hassten die Habsburger, denn wir waren immer ein stolzer Stadtstaat, und plötzlich wurden wir von Wien aus verwaltet. Aber nach dem Ende der Habsburger wurde es so schlimm, dass dieses Gebäude für uns ein Symbol dafür geworden ist, wie man etwas erst vermisst, wenn man es verloren hat.“

Für de Gruyter bestätigte diese Anekdote, dass sie mit den kurz zuvor begonnenen Recherchen zu ihrem neuen Buch über die Parallelen zwischen dem Habsburgerreich und der Europäischen Union goldrichtig lag. „Beter wordt het niet; een reis door de Europese Unie en het Habsburgse Rijk“ (Uitgeverij De Geus) lautet der Titel dieses derzeit nur auf Niederländisch verfügbaren Buchs, das seit seinem Erscheinen vor einem Monat bereits in drei Auflagen gedruckt wurde und im politischen Brüssel aufmerksam gelesen wird.

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