Literatur

Ottessa Moshfeghs Lockdown-Roman: Autorin sucht Leiche

Eine 72-jährige Frau lebt ohne Sozialkontakte in einem Häuschen am See – nur mit ihrem Hund Charlie. Bis sie eines Tages einen Zettel findet, auf dem von Mord die Rede ist. Ottessa Moshfeghs „Der Tod in ihren Händen“.

Manchmal will es der Zufall, dass ein Jahre vor seinem Erscheinen geschriebenes Buch in dem Moment, da es aus den Katakomben des Computers ans Licht der Welt kommt, ganz hervorragend zur unmittelbaren Gegenwart passt. Der neue Roman der 1981 in Boston geborenen kroatisch-iranischstämmigen Ottessa Moshfegh, 2020 im Original erschienen und jetzt auf Deutsch, scheint auf den ersten Blick eine Lockdown-Situation wiederzugeben, wie sie aus aktuellstem Anlass hätte geschrieben werden können.

Eine 72-jährige Frau lebt isoliert in einem Häuschen an einem See im Nordosten der USA – mit minimalsten Sozialkontakten, ohne Freunde und sogar ohne Telefon. Sie hat nur ihren Hund Charlie mit dem sie einen „Gedankenraum“ teilt, und auf dem Nachtkästchen die Urne mit der Asche ihres an Hodenkrebs verstorbenen Mannes, Walter, dessen herablassende Stimme in ihrem Kopf noch immer recht deutlich erklingt. Doch dies ist keine „Walden“-Erzählung über transzendentale Weltflucht oder eine Fiktion wie „Die Wand“, wo die Protagonistin über das Fokussieren auf die alltäglichen Notwendigkeiten mit der Menschenleere hervorragend zurechtkommt, sondern ein Buch über das einsame Gehirn als permanenten Autor, der versucht, aus bruchstückhaften Hinweisen eine geordnete Umwelt zu erschaffen, indem er eine Geschichte erzählt.

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