Regierungskrise

Kommunisten wenden sich ab: Tschechiens Regierung droht das Aus

Archivbild von Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš.
Archivbild von Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš.REUTERS
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Das Duldungsabkommen mit den Regierungsparteien wurde wenige Monate vor der Parlamentswahl aufgekündigt.

Knapp ein halbes Jahr vor der Parlamentswahl droht der tschechischen Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Andrej Babiš das vorzeitige Aus. Die Kommunisten haben das Duldungsabkommen mit den Regierungsparteien aufgekündigt, wie die linke Partei am Dienstagabend bekannt gab. Man habe das Vertrauen in die Partner verloren, sagte Kommunisten-Chef Vojtěch Filip der Agentur ČTK zufolge.

Seine Partei werde selbst kein Misstrauensvotum im Abgeordnetenhaus einbringen, sei aber bereit, ein solches zu unterstützen.

Er könne noch nicht abschätzen, welche Schwierigkeiten die Entscheidung verursachen werde, sagte Regierungschef Babiš im Sender ČT. "Wir sind bereit, Gesetze auch gemeinsam mit anderen Parlamentsparteien durchzusetzen", sagte der Multimilliardär und Gründer der populistischen Partei ANO. Die reguläre Parlamentswahl ist für Anfang Oktober geplant.

Die Kommunisten hatten für eine weitere Duldung der Regierung aus ANO und Sozialdemokraten Kürzungen beim Verteidigungsetat und konkrete Pläne für die Gründung einer Staatsbank gefordert. Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wären die Stimmen von 101 der insgesamt 200 Abgeordneten erforderlich. Dazu ist es in Tschechien bisher nur einmal gekommen - im März 2009 stürzte auf diese Weise die konservative Regierung unter Mirek Topolánek.

Außenminister gesucht

Der bisherige stellvertretende Innenminister Jakub Kulhánek soll unterdessen neuer tschechischer Außenminister werden. Die Sozialdemokraten (CSSD) haben den 37-jährigen Kulhánek vorgeschlagen, nachdem Kulturminister Lubomír Zaorálek den Posten abgelehnt hatte, wie tschechische Medien am Mittwoch berichteten.

Kulhánek gilt als enger Mitarbeiter von CSSD-Chef und Innenminister Jan Hamáček. In der Vergangenheit war er schon stellvertretender Außenminister sowie stellvertretender Verteidigungsminister. Kulhánek studierte Internationale Beziehungen an der Prager Karlsuniversität und erwarb auch einen Mastertitel an der Georgetown University in Washington.

Petříček im Streit mit Zeman

Die Postenbesetzung ist erforderlich, nachdem Außenminister Tomáš Petříček am Montag abberufen wurde. Petříček war in Konflikt mit Staatspräsident Miloš Zeman und schließlich mit seiner eigenen Partei geraten, weil er die Regierungszusammenarbeit mit der Protestbewegung ANO von Ministerpräsident Andrej Babiš kritisiert hatte.

Die tschechischen Sozialdemokraten befinden sich seit Jahren in einer tiefen politischen Krise. Noch bis zum Jahr 2017 stärkste Kraft im Parlament, ist sie infolge des Aufstiegs der Protestbewegung ANO in der Wählergunst rapide abgestürzt. Aktuell Juniorpartner in der Regierung, droht ihr bei der Wahl im Oktober das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde für den Wiedereinzug ins Parlament.

(APA/dpa)

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