Literatur

Wie Solschenizyn den Nobelpreis erhielt

RUSSIAN WRITER SOLZHENITSYN MAKES A SPEECH
RUSSIAN WRITER SOLZHENITSYN MAKES A SPEECH(c) REUTERS (SERGEI KARPUKHIN)
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War die Entscheidung wirklich so politisch? Die Schwedische Akademie hat die bisher geheimen Unterlagen dazu freigegeben.

„Für moralische Stärke aus der Tradition der großen russischen Literatur“ erhielt der in seiner Heimat drangsalierte Schriftsteller Alexander Solschenizyn 1970 den Nobelpreis für Literatur. Die Welt wertete den Preis vor allem als politische Entscheidung und tut das bis heute. Nun hat die Schwedische Akademie am Montag die bisher geheimen Unterlagen dazu freigegeben, wie die schwedische Zeitung „Svenska Dagbladet“ berichtet. Sie zeigen, dass sehr wohl künstlerische Kriterien für die Entscheidung eine maßgebliche Rolle spielten.

1962, in der „Tauwetterperiode“ unter Chruschtschow, war Solschenizyns Buch „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ erschienen. Es erzählt vom Alltag im Gulag, den der Autor nach dem Krieg selbst erlebte. In den Jahren vor der Nobelpreisverleihung jedoch durften seine Bücher nicht mehr veröffentlicht werden, er musste Angst haben, vom KGB ermordet zu werden. 1968 wurde „Der erste Kreis der Hölle“, ein weiterer Gulag-Roman, ins Ausland geschmuggelt.

„Ziemlich primitiv“?

Sechs der dafür befugten Personen nominierten Solschenizyn, darunter ein Professor an der University of California und der Romanist Yakov Malkiel. Die Wahl dieses Autors würde „logisch“ werden, schrieb Malkiel, der künstlerische Ruf von Solschenizyn sei enorm gewachsen. Nur ein Jurymitglied, der Dichter Arthur Lundqvist, kritisierte, Solschenizyns Werke setzten den Realismus des 19. Jahrhunderts fort, in dieser Hinsicht seien sie „ziemlich primitiv und uninteressant“. Der Rest der Jury war sich über die künstlerische Qualität einig. Der schwedische Literaturwissenschaftler Umeå Magnus von Platen etwa meinte, Solschenizyn entwickle einerseits die klassische Erzähltradition auf außergewöhnliche Weise weiter, außerdem entspreche die moralische Position seiner Werke „voll und ganz dem Erfordernis des mit dieser Auszeichnung verbundenen Ideals.“

In Empfang nehmen konnte Solschenizyn den Preis erst 1974, nachdem er wegen seines in Frankreich erschienenen Buchs „Archipel Gulag“ aus der Sowjetunion ausgewiesen worden war.

(sim)

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