Brüssel-Briefing

Die Wandlung des Michel Barnier

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FRANCE-PORTRAIT-UE-POLITICSAPA/AFP/JOEL SAGET
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Vier Jahre war der Brexit-Verhandler der EU die verkörperte politische Mäßigung. Im Wettstreit darum, Kandidat für das französische Präsidentenamt zu werden, schwenkt er plötzlich nach rechts aus - und schockiert die Brüsseler Politikmaschine.

Geduldig, höflich, sachlich: man konnte Michel Barnier um sein Amt als Brexit-Verhandler der EU wahrlich nicht beneiden, doch er erfüllte es mit der Klasse eines Gentlemans. Anfang 2020, kurz vor dem Aufflammen der Pandemie, saß ich mit einer Bekannten, die in der EU-Kommission arbeitet, nahe des Berlaymont-Gebäudes bei Pizza und einem Glas apulischem Primitivo zum Lunch, und sie schwärmte mir mit großen Augen vor, dass niemand in der Kommission auch nur ein schlechtes Wort über Barnier zu sagen habe. Oft traf ich ihn in der Großraumkantine (ohne Pizza, ohne Primitivo) der Kommission, mit seinen Mitarbeitern beim Mittagessen statt in einem der zahlreichen Spesenritter-Fresstempel im Brüsseler Europaviertel, in die es manch andere Alphatiere des hiesigen Politikapparates mittags zu ziehen pflegt. Viele hatten im Frühsommer 2019 heimlich gehofft, dass er als Überraschungskandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten aus dem Hut gezogen wird (so auch er selbst). Und nun das.

Worüber Brüssel redet

Vergangenen Sonntag erklärte Barnier in einer französischen Fernsehdebatte, dass er für einen drei- bis fünfjährigen Einwanderungsstopp sei - Studenten und Flüchtlinge wohlgemerkt ausgenommen. Konkret nannte er eine Unterbrechung der Familienzusammenführung. Die Schengen-Außengrenze müsse gestärkt werden, die 10.000 Beamten der Grenz- und Küstenwache Frontex seien endlich einzusetzen. Am Dienstag wiederholte er diesen Vorschlag im Frühstücksfernsehen. Seine Haltung habe er nicht geändert, sagte er. Man müsse den Problemen ins Auge blicken, die Migrationspolitik Frankreichs (und, unausgesprochen, der EU), „funktioniert nicht."

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