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Pandemiebekämpfung traf einkommensschwächere Wiener stärker

Einkommensschwächere wurden von der Krise stärker getroffen.
Einkommensschwächere wurden von der Krise stärker getroffen. APA/HELMUT FOHRINGER
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Menschen mit niedrigem Einkommen wurden stärker von Lockdownmaßnahmen getroffen als Gutverdiener. Schon vor der Pandemie waren einkommensschwache Wiener kränker als Besserverdienende.

Die weniger betuchten Wiener wurden viel stärker von den Lockdown-Maßnahmen getroffen als die wohlhabenderen, erklärte der Sozialmediziner Moritz Oberndorfer am Mittwochabend bei einem
Online-Vortrag. Damit verstärkt die Covid-19-Pandemie die soziale
Ungleichheit bei der Gesundheit der Hauptstädter. Schon vorher hatte
eine Studie der Stadt Wien gezeigt, dass einkommensschwächere
Menschen häufiger an Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und
Depressionen leiden.

Laut einer repräsentativen Befragung von gut 1.000 Wienern habe
sich bei fast einem Drittel der Leute während des ersten harten
Lockdowns im Frühjahr 2020 die finanzielle Situation verschlechtert,
bei einem Viertel die psychische Gesundheit und bei 14 Prozent die
körperliche Gesundheit. Manche (drei Prozent) haben ihren Job
verloren oder litten nach eigenen Angaben an akuter
Belastungsstörung, vulgo erlitten einen Nervenzusammenbruch (vier
Prozent).

Ungleiche Belastung

Die Belastungen waren aber ungleich verteilt: "Die Ärmsten 30
Prozent halten 15 Prozent des Haushaltseinkommens, erlebten aber 39
Prozent der Belastung durch den ersten Lockdown", sagte Oberndorfer,
der an der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin der
Medizinischen Universität (MedUni) Wien arbeitet. Die Belastungen
durch die Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie waren umso höher,
desto geringer das Einkommen der Betroffenen war. Ihr Bildungsstand
spielte hingegen kaum eine Rolle.

Bei dem Fünftel mit dem geringsten Einkommen hat sich etwa die
finanzielle Situation mehr als drei Mal so oft verschlechtert wie
bei dem Fünftel mit dem höchsten Einkommen. Diese Personen mit
niedrigerem Einkommen haben auch öfter ihren Job verloren, ihre
geistige Gesundheit verschlechterte sich öfter, und sie litten viel
häufiger an akuter Belastungsstörung. "Die Nebenwirkungen der
Pandemiebekämpfung trafen demnach nicht alle Wiener gleich", so
Oberndorfer: "Personen mit niedrigem Haushaltseinkommen erlebten
eine überproportional höhere Belastung."

Ärmere sind kränker und eher depressiv

Eine Studie, die Felix Hofmann von der Strategischen
Gesundheitsversorgung (MA 24) der Stadt Wien schon vor der Pandemie
durchgeführt hat, zeigte, dass sozial schwächere Gruppen öfter von
Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, chronisch verengten
Atemwegen (COPD) und Depressionen heimgesucht werden. So hatten zum Beispiel über 50-jährige Wiener in großen finanziellen
Schwierigkeiten fast drei Mal so oft Herz-Kreislauferkrankungen und
arbeitslose oder arbeitsunfähige Menschen fast vier Mal so oft wie
Erwerbstätige. Die Menschen mit den niedrigsten Einkommen haben auch
ein fünffach so hohes Risiko für Depressionen, so der Experte.

"In Wien gibt es also starke gesundheitliche Ungleichheiten
entlang sozioökonomischen Merkmalen, die sich durch die Pandemie
verstärkten", erklärte Hofmann: "Gerade in Zeiten der Pandemie muss
man demnach die Gesundheits- und Sozialpolitik eng verknüpfen, um
die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und Ungleichheiten zu
reduzieren."

Als Beispiel nannte er eine Arbeitsmarktpolitik, die
nicht nur effektiv ist, sondern auch "Verteilungswirksamkeit" zeigt.
Die Kurzarbeit sei zum Beispiel vor allem Personen mit höheren
Einkommen zu Gute gekommen, während die finanziell Schwächeren kaum davon profitierten. Der Vortrag wurde von der Österreichischen
Gesellschaft für Public Health anlässlich der "European Public
Health Week" organisiert.

(APA)

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