"Stuttgart 21": Morddrohungen gegen Bahn-Chef

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Die Familie des Chefs der Deutschen Bahn wurde zeitweise an einen geheimen Ort gebracht. Die Proteste gehen indes weiter: Die Gegner des Bahnhofprojekts erwarten heute 20.000 Demonstranten.

Der Konflikt um das Bahnhofprojekt "Stuttgart 21" wird zusehends schärfer: Der Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube hat Morddrohungen erhalten und steht rund um die Uhr unter Polizeischutz, berichten die "Stuttgarter Nachrichten". Nach Angaben der Zeitung wurden im Umfeld des Wohnhauses zuletzt Aufnahmen der Familie gemacht und ins Internet gestellt. Grubes Frau und seine beiden Kinder wurden daraufhin zeitweise an einen geheimen Ort gebracht. Bahnhofsgegner haben sich auch zu dem Farbbeutel-Angriff auf die baden-württembergische Landesvertretung in Brüssel bekannt.

Am Montag sollen die Proteste weitergehen: Bei einer Demonstration um 18 Uhr erwartet das Aktionsbündnis gegen den Milliardenbau rund 20.000 Teilnehmer. Zudem wollen die Gegner ein Volksbegehren zur vorzeitigen Auflösung des baden-württembergischen Landtags beantragen. Bei der Demo soll mit dem Sammeln der nötigen 10.000 Unterschriften begonnen werden. In einem halben Jahr, am 27. März 2011, würden reguläre Wahlen stattfinden.

Regierung gesprächsbereit, aber kein Baustopp

Bei der Eskalation von Protesten am vergangenen Donnerstag waren nach Polizeiangaben mindestens 130 Menschen verletzt worden, als Sicherheitskräfte mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen Demonstranten vorgingen. Die Gegner haben eine Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt gegen den Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf erstattet. Eine weitere Demonstration am Freitag war friedlich verlaufen. Die Gegner von "Stuttgart 21" wollen mit ihren Aktionen einen Baustopp und eine Volksabstimmung über das Projekt erzwingen.

Die CDU-Landesregierung des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg zeigt inzwischen Gesprächsbereitschaft im Konflikt um das Großbauprojekt, lehnt einen Baustopp aber weiter ab. "Angesichts der verhärteten Fronten ist es vordringlich, wieder ins Gespräch zu kommen. Wir halten die Hand ausgestreckt und sind zum Dialog bereit", sagte Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) der "Frankfurter Rundschau". Bei zwei vorangegangenen Anläufen hätten sich die Gegner "einseitig" zurückgezogen.

Die Landesregierung wolle "größtmögliche Bürgerbeteiligung, beispielsweise bei der Gestaltung der 100 Hektar Innenstadtflächen, die heute noch durch das Gleisfeld belegt sind", ergänzte Gönner, fügte jedoch hinzu: "Aber eins ist klar: Ein Baustopp kommt nicht infrage." Es seien jetzt von 282 Bäumen im Schlossgarten nur 25 gefällt worden, sagte Gönner. "Und vor dem Winter 2011 wird es im Park auch keine weiteren Baumfällungen geben", versprach sie.

''Stuttgart 21''

Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll unter die Erde verlegt und an eine Neubaustrecke angeschlossen werden. Die Milliardenkosten und der Teilabriss des alten Bahnhofs sind sehr umstritten. Die Bahn rechnet mit Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro. Kritiker befürchten eine Kostensteigerung auf bis zu 18,7 Milliarden Euro.

Mehr: Der Fahrplan für die Bauarbeiten

"Es geht um Arbeitsplätze"

Bis zur Landtagswahl in sechs Monaten müsse man den Bürgern klar machen, dass es um viel mehr als um "Stuttgart 21" gehe. "Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt, um Arbeitsplätze", sagte die Ministerin. Die Landesregierung mache das Angebot, "die Menschen auch jetzt noch mit zunehmen". Sie ziehe jedoch die Lehre: "In der Zukunft müssen wir dafür sorgen, dass die Bürgerbeteiligung im Vorfeld von Großprojekten besser läuft. Dass so viele Menschen wie jetzt sich auch darum kümmern, wenn noch nicht gebaut wird."

Pro und Contra

Das deutsche Milliarden-Projekt "Stuttgart 21" ist seit Beginn der Planungen vor 15 Jahren umstritten. Umweltschützer, Bürgerinitiativen und Grünen-Politiker laufen Sturm dagegen. Anhänger hat das Vorhaben vor allem in Baden-Württembergs CDU/FDP-Koalition, in Teilen der SPD, bei Vertretern der Region und des Flughafens.

Mehr: Pro und Contra "Stuttgart 21"

(APA/red.)

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