Ausbildung

Die Spezialisten im Hintergrund

Logistik
Logistik(C) ÖBB/Fritscher
  • Drucken

Zukunftsorientiert und praxisbezogen – so wirbt die Logistikbranche für ihre breit gefächerten Lehrlingsprogramme. Bei international agierenden Unternehmen winken auch Aufenthalte im Ausland.

Während in den vergangenen Monaten viele Branchen in den Lockdown oder in die Kurzarbeit gingen, arbeitete eine still und leise im Hintergrund weiter: die Logistik. Sie sorgte dafür, dass die Supermarktregale voll blieben, dass die Lieferketten nicht abrissen und der Warenaustausch nicht zusammenbrach. Doch trotz ihrer Schlüsselrolle in der Coronakrise kam niemand auf die Idee, die Fachkräfte, die hinter diesen Abläufen stehen, als Helden zu feiern. Dabei würde man sich im Logistiksektor etwas mehr öffentliche Aufmerksamkeit durchaus wünschen, gehen ihm doch zunehmend die Fachkräfte aus.

Breites Berufsspektrum

Um im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter nicht abgehängt zu werden, legen Unternehmen immer ausgefeiltere Lehrlingsprogramme auf. Ein besonders breites Spektrum an Ausbildungsmöglichkeiten findet man bei den ÖBB vor. Das Unternehmen verfügt über neun eigene Lehrwerkstätten und bietet insgesamt 27 verschiedene Lehrberufe an. Dazu gehören etwa die klassischen Bereiche Mechatronik, Elektrotechnik oder der Gleisbau. Den Entwicklungen im Klimaschutz zolle man unter anderem mit Programmen zu Kälteanlagen- oder Elektro-Energietechnik Rechnung, berichtet Silvia Angelo, Vorstand der ÖBB-Infrastruktur AG. Interessenten können sich bei Schnuppertagen und Tagen der offenen Tür informieren. „Seit Corona sind diese Möglichkeiten jedoch eingeschränkt“, bemerkt die Vorständin. Wer persönlich in der Lehrwerkstätte vorbeischauen will, könne aber online einen Termin vereinbaren und vor Ort gratis einen Covid-Test machen.

Eine immer größere Rolle in den Ausbildungsprogrammen spielt die Digitalisierung. Bei den ÖBB schlägt sich dies etwa in Zukunftsberufen wie der Applikationsentwicklung oder dem E-Commerce nieder, beim Kranhersteller Palfinger reitet man die Digitalsierungswelle unter anderem mit eigenen Anwendungen wie dem Smart Eye. „Diese Technologie ermöglicht es, Spezialisten vor Ort über die Schulter zu blicken und sie aus der Entfernung zu unterstützen“, sagt Bernhard Eicher, Leiter der Lehrlingsausbildung bei Palfinger. Sie sei auch bei der letzten digitalen Lehrabschlussprüfung zum Einsatz gekommen.

Palfinger bietet insgesamt 16 verschiedene Ausbildungswege an, die kaufmännische, technische und mechanische Berufe umfassten. 22 Lehrlinge sind derzeit pro Jahr in Ausbildung, mit dem neuen Campus, der im August 2022 fertig sein wird, soll diese Zahl auf 40 aufgestockt werden. 90 Prozent der Azubis bleiben danach im Unternehmen. „Das erste Halbjahr verbringen die Lehrlinge in ihrer Stammabteilung, um sich einzuleben und Routinen kennenzulernen. Dann beginnt standortübergreifend ihre Rotation in verschiedenen Abteilungen“, erzählt Eicher. Neben der klassischen Lehre gibt es die Lehre mit Matura, die Duale Akademie (Lehre nach Matura und Präsenzausbildung) und die verkürzte Lehre für Absolventen der Landwirtschaftsschule. Auslandsaffine Lehrlinge können am internationalen Fachkräfteaustausch teilnehmen oder innerhalb des Konzerns nach Deutschland, Spanien oder Slowenien gehen.

Beim Intralogistik-Spezialisten Knapp profitieren Lehrlinge seit 30 Jahren von „einer breit gefächerten Ausbildung, die vernetztes Denken und abteilungsübergreifendes Arbeiten fördert“, erläutert CFO Christian Grabner. So soll das Unternehmen in all seinen Facetten kennen- und verstehen gelernt werden. 20 neue Lehrstellen gibt es jährlich, verteilt auf fünf Lehrberufe (Metalltechniker, Metallbearbeiter, Mechatroniker, Applikationsentwickler – Coding, Informationstechnologe). Rund 75 Lehrlinge befinden sich laufend in Ausbildung, sagt Grabner. Die praxisnahe Ausbildung beinhalte diverse Projektarbeiten, potenziell die Berufsmatura, Praxiserfahrung im Ausland und Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel Lehrlingssport.

Mehr Mädchen begeistern

Eine stereotypische Einteilung in Männer- und Frauenberufe sei den ÖBB fremd, sagt Silvia Angelo. Der Frauenanteil liege mit derzeit über 400 weiblichen Lehrlingen bei etwa 20 Prozent. Mädchen sollen unter anderem beim Wiener Töchtertag und dem Girls! Tech Camp für das Unternehmen begeistert werden. Bei Knapp liegt der Mädchenanteil im Lehrlingsbereich bei etwa zehn Prozent, berichtet Grabner, neun Prozent sind es laut Eicher bei Palfinger. Bei den Unternehmen ist man jedenfalls bemüht, mehr Mädchen für die Technik zu begeistern. „Maschinenbau, Technologie und Logistik sind leider nach wie vor zu wenig im beruflichen Fokus junger Frauen“, meint Eicher. „Deswegen adressieren wir sie gezielt auf Messen oder bei Schulbesuchen.“

Neben einer gewissen technischen Affinität legen die Unternehmen auch großen Wert auf Soft Skills. Dazu gehören Teamfähigkeit und technische Neugierde, aber auch Lernbereitschaft und Fleiß. „Unsere Lehrlinge sollten Motivation, gekoppelt mit guten schulischen Leistungen, gutem Benehmen und Umgangsformen, Respekt und Lernbereitschaft mitbringen“, bringt es Eicher auf den Punkt.

AUF EINEN BLICK

Die ÖBB bieten 27 verschiedene Lehrberufe an, beim Kranhersteller Palfinger sind es 16, beim Intralogistik-Experten Knapp fünf. Alle bemühen sich um mehr weibliche Lehrlinge, die noch immer unterrepräsentiert sind. Interessierte an einer Lehrstelle bei den ÖBB können sich auf www.nasicher.at bewerben, Knapp-Bewerber nutzen das Online Portal www.knapp.com/karriere. Wer bei Palfinger durchstarten möchte, sollte seine Bewerbung an lehre@palfinger.com schicken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.