Terrorwarnung: "Kein Anlass zu Alarmismus"

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Der deutsche Innenminister, Thomas de Maizière, beschwichtigt, Japan warnt Bürger bei Reisen nach Europa. Nur Tage zuvor hatte es Berichte über ein Komplott des Terrornetzwerks al-Qaida gegeben.

Wien/Berlin. Deutschlands Innenminister spielte am Montag eine ungewohnte Rolle – die des Beschwichtigers: „Es liegen keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Deutschland vor“, sagte Thomas de Maizière. Für Alarmismus bestehe kein Anlass.

Normalerweise ist es ja das Innenministerium, das vor Terroranschlägen warnt. Diesmal aber sah sich de Maizière genötigt, zu beruhigen, nachdem am Sonntag das US-Außenministerium und wenig später die britischen Behörden eine erhöhte Terrorgefahr in Europa ausgemacht hatten. Die in einem US-Sender genannten möglichen Anschlagsziele seien seit mehr als zwei Jahren bekannt, so der Innenminister.

Während die US-Regierung allgemein zu größerer Vorsicht bei Reisen nach Europa warnte, setzte London die Terror-Gefahrenstufe für Deutschland und Frankreich von „allgemein“ auf „hoch“. Japan zog am Montag nach und ermahnte seine Bürger bei Reisen nach Europa zu Achtsamkeit.

Nur Tage zuvor hatte es Berichte über ein Komplott des Terrornetzwerks al-Qaida gegeben, in Deutschland, Frankreich und Großbritannien Anschläge zu verüben. Quelle dieser Warnung ist der Deutsch-Afghane Ahmed Sidiqi, der im Juli in Afghanistan festgenommen wurde und seither auf dem US-Stützpunkt Bagram verhört wird. Auch eine Gruppe deutscher Geheimdienstler wird ihn laut einem Bericht des „Spiegel“ demnächst befragen.

Angst vor hausgemachtem Terror

Sidiqi ist typisch für ein Phänomen, das den Sicherheitsbehörden zunehmend Sorge macht: „hausgemachter“ Terrorismus. Sidiqi reiste 2009 von Hamburg ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet, wo er offenbar mit hohen al-Qaida-Leuten zusammenkam. Experten beobachten eine zunehmende Reisetätigkeit deutscher Extremisten in die Region und eine wachsende Radikalisierung unter Muslimen in Deutschland.

Konkrete Terrorwarnungen gab es zuletzt indes wenige. Nur rund um die Bundestagswahl vor einem Jahr herrschte erhöhte Alarmbereitschaft, nachdem al-Qaida-nahe Gruppen in mehreren Videos mit Anschlägen gedroht hatten. Wahrgemacht haben sie ihre Drohungen nicht. Deutschland bleibt durch seine Beteiligung am Afghanistan-Krieg jedenfalls im Visier der Terroristen, nicht zuletzt, weil der Einsatz in der Bevölkerung sehr umstritten ist. Ein Anschlag mit Dutzenden Toten könnte die Regierung starkem Druck aussetzen, die Truppen früher als geplant abzuziehen. ag/hd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2010)

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