Film.

Doku: Männer, die nach Trüffeln schnüffeln

Ein Pilzsammler und sein bester Freund, aus "The Truffle Hunters"
Ein Pilzsammler und sein bester Freund, aus "The Truffle Hunters"(c) Sony / Michael Dweck and Gregory Kersha (Michael Dweck and Gregory Kersha
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Der raffinierte Dokumentarfilm „The Truffle Hunters“ („Die Trüffeljäger“ auf Deutsch) begibt sich auf die Spur von Pilzsammlern aus dem Piemont: Alte Käuze, die geerdeter wirken als das von ihnen belieferte Feinkost-Business.

Nicht Salze, sondern Pilze sind das weiße Gold unserer Zeit. Tausende Euro pro Kilo bringt „Tuber magnatum“, die Weiße Trüffel aus dem Piemont und aus anderen Regionen Italiens, auf die Waage. Ungewaschen sieht sie wirklich aus wie ein runzeliges Goldnugget. Bei Feinschmeckern und schlemmerhaften Geldsäcken steht sie hoch im Kurs, nicht zuletzt aufgrund ihres Seltenheitswerts. Die Fahndung nach ihren kostbaren Knollen obliegt einigen wenigen alteingesessenen Trüffeljägern und ihren treuen Spürhunden – ein Traditionsgewerbe par excellence.

Eben dieser Zunft widmet sich Michael Dwecks und Gregory Kershaws raffinierte Doku „The Truffle Hunters“. Schon vergangenen November als Viennale-Abschlussfilm bei uns zu sehen, startet sie nun regulär in den heimischen Kinos. Mit ironisch angespitztem Blick folgen die Filmemacher dem Alltag der oft schon greisenhaften Waldwühler, deren archaische Selbstgenügsamkeit in pointiertem Kontrast zur gut betuchten Etepetete-Gourmetwelt steht, die sie mit ihren g'schmackigen Schätzen beliefern.

Da schmunzelt die Slow-Food-Fraktion!

Dabei fügt sich „Truffle Hunters“ nahtlos in die Passform des ökologisch bewussten Genussfilm-Genres, das sich derzeit (nicht nur) in Euro-Programmkinos großer Beliebtheit erfreut. Als Zuschauer fährt man hier quasi auf Leinwandurlaub nach Nordwestitalien, ergeht sich in exquisit kadrierten Landschaftsbildern und schmunzelt über die Schrullen der kauzigen Delikatessenjäger.

Wie bewundernswert wirkt doch ihr scheinbar so einfacher, uriger, bodenständiger Lifestyle! Die übertriebenen Inszenierungen ihrer hocharomatischen Funde auf dem Feinkostmarkt kann man hingegen nur belächeln: ein perfekter Film für die Slow-Food-Fraktion, der die geschilderte Schablonenhaftigkeit aber zum Glück übersteigt.

Indem er seine Akzente nicht per Kommentar, sondern ästhetisch setzt – etwa mit ausgeklügelten Bildkompositionen, die bisweilen an einen Spielfilm erinnern. Und weil er, den preisgekrönten Außenseiterpanoramen des Italo-Dokumentaristen Gianfranco Rosi nicht unähnlich, alle seine Figuren durch dieselbe humorvoll-humanistische Brille beäugt: die Titelhelden ebenso wie den geschäftigen Händler, der vor lauter Trüffelverkaufen gar nicht zum Trüffelessen kommt. Den wohlbeleibten Restaurantgast, der sich seine Spiegeleier mit einem gerüttelt Maß Pilzspänen überhäufen lässt. Und ja, auch die Hunde, aus deren Perspektive wir in einer Szene wild durch den Wald sausen, während das Dickicht an uns vorbeirauscht. So erscheint der vom italienischen Starregisseur Luca Guadagnino mitproduzierte Film dank gezielter Gegenüberstellung unterschiedlicher, teilweise widersprüchlicher Lebensformen als formvollendetes Gegenmodell zu einer Gegenwart, in der kapitalistische Wertschöpfung mit Umweltverbundenheit oft im Zwist liegt.

Die Meistersammler können das Trüffelsuchen auch im hohen Alter nicht lassen, ihre Fähigkeiten bleiben gefragt. Dennoch entsteht der Eindruck, ihr Metier sei vom Aussterben bedroht. Wohl zu Unrecht, denn die Konkurrenz ist groß. Es werden sogar Hunde vergiftet. Als Gefühlsventil bleiben nur Tränen oder schepperndes Schlagzeugspiel. Und die Natur: In der Nacht stehlen sich manche der Veteranen durchs Fenster davon – zum Wandern in den trauten Wald.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2021)

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