Sanierung

Abenteuerprojekt Feldmühle

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Seit den 1970er-Jahren renoviert Familie Dirnberger eine historische Mühle in Judenau in Niederösterreich. Tipps, Erfahrungen und Zukunftspläne zu einem besonderen Langzeitprojekt.

Ein Häuschen zu sanieren, das ist viel Arbeit – aber gleich ein ganzes historisches Ensemble? Als Franz Dirnberger an einem grauen Novembertag in den 1970er-Jahren, unterwegs in Richtung Tulln, mitten in den abgeernteten Feldern einen Häuserkomplex entdeckte und zu renovieren gedachte, galt er als ziemlicher Exot. „Aus den Fenstern wuchsen zum Teil Büsche, die Stallungen und Scheunen waren mit Gerümpel gefüllt.“ Der Besitzer, der das Anwesen von einer Verwandten in Leibrente geerbt hatte, verkaufte erfreut. Das historische Anwesen, das bereits im 14. Jahrhundert urkundlich als Lehen des Landesfürsten aufscheint, wechselte für umgerechnet 20.000 Euro den Besitzer. Damit begann für die Dirnbergers ein Abenteuer, das sie für die nächsten zwanzig Jahre beschäftigen sollte.

Historische Anleihen

Die ersten Schritte waren mühsam und zeitintensiv: Eine „pseudo- ländliche Behübschung“ sollte vermieden werden, obwohl Denkmalschutz damals noch ein großes Thema war. Für Historiker jedoch sind Mühlen beliebte Forschungsobjekte: Da sie sehr einträglich waren, wurden sie seit jeher genau erfasst. Judenau etwa war im Mittelalter ein Lagerort für Waren, da jüdische Händler, unter dem Schutz des Landesherren der Babenberger stehend, für den Fernhandel verantwortlich waren. Dirnberger studierte also die Architektur der Umgebung, fotografierte die wenigen noch erhaltenen Arkadenhöfe, Fenster und Tore im Tullnerfeld. Zudem war als junger Arzt das Geld nicht sehr üppig vorhanden. Ein Schulfreund fungierte als Baumeister, gemeinsam mit Maurern aus Bosnien und NÖ wurde Haus für Haus zum Teil renoviert, zum Teil neu gebaut.

Immer möglichst nahe am Original: „Wo es notwendig war, konnten wir alte Dachziegel und -fliesen, Pflastersteine und Steinplatten aus den Resten des alten Stadtplatzes in Schrems im Waldviertel erstehen“, erzählt er. Als Frankreich-Fans entdeckten die Dirnbergers, „dass man dort Materialien aus alten Häusern, Schlössern oder Kirchen, fachgerecht ausgebaut, sehr günstig erwerben kann“. So wurden zwei alte Steintreppen, Kamine, Gitter und Bodenfliesen in Judenau eingebaut, eine gotische helle Wendeltreppe reserviert. Als der Einbau nach abenteuerlichem Transport beginnen sollte, stellte sich heraus, dass die Treppe rechtsdrehend war. „Da wurde eben die Türe versetzt“, erinnert er sich.
Die Meublage ist genügsam: im alten Müllerhaus ein paar schöne Bauernkästen und gemauerte Kachelöfen, sonst ein sparsamer Mix aus modern und alt. Viele, auch große Bilder, da ja genügend Wände vorhanden sind, und warme Farben. Die Böden im Parterre sind aus Ziegeln, im Oberstock gibt es breite Holzdielen aus dem Waldviertel, „die mit dem Alter immer schöner werden“.

Die insgesamt fünf Häuser begrenzen heute einen großen, grasbedeckten Innenhof, der bis zur Tulln reicht. Da die zahlreichen Mühlen entlang der Tulln längst aufgelassen wurden, wurde an der Stelle des ursprünglichen Zu-und Abflusses ein 1000 m2 großer Badeteich mit Schilfgürtel angelegt. „Natürlich hätte man einen Teil der Häuser einfach abreißen können, aber der Charme wäre dahin gewesen. Erst nach dem Öffnen des alten Tores kommt die Großzügigkeit richtig zur Geltung“, freut sich Dirnberger. Besonders freut ihn außerdem, „dass es auch erfahrenen Bauexperten nicht gelang, neue Arkaden oder Stiegen zu erkennen, da der Gesamteindruck sehr harmonisch wirkt“.
Die Mühle ist ganzjährig bewohnbar, sie wird von der Familie jedoch nur während der warmen Jahreszeit genutzt, „da wir durch und durch Städter sind und die kulturellen Angebote Wiens im Winter, wenn möglich, nützen“. Da nur ein Teil der Häuser bewohnt ist, ist die Erhaltung aufwendig, sagt Dirnberger und hegt Zukunftspläne. „Wir überlegen uns, es einmal als Schenkung an eine kulturelle oder universitäre Institution zu übertragen. Vielleicht als Sommer-Uni, für Professoren und Dissertanten.“

OBJEKT UND PERSONEN

Judenau-Baumgarten ist eine Marktgemeinde im Bezirk Tulln/NÖ, Einfamilienhäuser kosten im Bezirk Tulln 2053,02 Euro/m2, Baugrundstücke 278,18 Euro/m2.

Die Feldmühle wurde von Franz und Viktoria Dirnberger renoviert und als Sommerhaus eingerichtet. [ Barbier ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2021)

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