Spindelegger in der Türkei: "Bremsen den Beitritt nicht"

Spindelegger trifft Gül
Spindelegger trifft Gül(c) APA/BERNHARD J. HOLZNER (BERNHARD J. HOLZNER)
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Außenminister Spindlegger sieht Österreich nicht in der Rolle des Verhinderers, fordert von den Türken aber Bewegung in der Zypern-Frage: „Der Türkei wird nicht erspart bleiben, über ihren Schatten zu springen.“

Istanbul. Der Ausblick ist atemberaubend: Während am Heck die berühmte Galata-Brücke und die Sultaniye-Moschee langsam aus dem Blickfeld geraten, zeichnen sich vorne bereits die Prunkfassaden der Bosporus-Paläste ab. Noch sieht Außenminister Michael Spindelegger entspannt aus, doch die knapp einstündige Bootsfahrt zur Sommerresidenz des türkischen Präsidenten Abdullah Gül wird vorerst der letzte spannungsfreie Programmpunkt seiner dreitägigen Türkei-Reise sein.

Auch wenn Spindelegger vom Hausherrn herzlich begrüßt wird: Der türkischen Regierung scheint langsam der Geduldsfaden mit jenen Ländern zu reißen, die wie Österreich, Deutschland oder besonders Frankreich und Zypern beim Thema EU-Beitritt der Türkei auf der Bremse stehen: Europaminister Egemen Bagis sprach von „Intrigen, wie sie noch kein Bewerberland erlebt hat“. Und Außenminister Ahmet Davutoglu, den Spindelegger heute, Donnerstag, ebenso treffen wird wie Premier Recep Tayyip Erdoğan, sagte kürzlich im „Presse“-Interview, dass es mit der guten Freundschaft vorbei sei, wenn Österreich weiterhin den Beitrittsprozess blockiere.

Diesen Eindruck will Spindelegger zerstreuen: „Wir stehen nicht auf der Bremse, wir haben keine versteckte Agenda“, betonte er am Mittwoch vor Journalisten: Die Verhandlungen sollten auf jeden Fall weitergeführt werden, die tatsächliche Entscheidung könne aber erst am Ende getroffen werden: „Keiner weiß, was in zehn oder 15 Jahren sein wird.“ Von der Türkei erhofft er sich demnächst Fortschritte beim Ankara-Protokoll, also der Öffnung türkischer Häfen für Schiffe aus Zypern: „Der Türkei wird nicht erspart bleiben, über ihren Schatten zu springen.“

Freilich ist Spindelegger klar, dass sich Österreich international „ins Abseits stellen“ würde, scheiterte der EU-Beitritt der Türkei alleine am Nein der Österreicher bei einer Volksabstimmung, eine Hinterlassenschaft der Ära Schüssel.

Spindelegger will auf seiner Reise ohnehin „aus der Beitrittsfrage rauskommen“. Denn über die Bedeutung der Türkei in geopolitischer und ökonomischer Hinsicht ist man sich im Außenamt im Klaren, das zeigt schon der starke wirtschaftliche Einschlag des Reiseprogramms, das auch den Spatenstich für ein OMV-Gaskraftwerk in Terme umfasst.

Keine Visa mehr für Österreicher?

Wien will also die Beziehungen stärken und ausbauen: „Man muss sehen, wo es gemeinsame Schwerpunkte gibt“, so Spindelegger. Einer ist das Thema Integration: Die Rolle, die die türkische Regierung in Bezug auf eine bessere Integration der in Österreich lebenden Türken spielen kann, schätzt der Minister hoch ein: „Wenn von dort die entsprechenden Signale kommen“, könne das durchaus Verbesserungen bewirken. Ein weiteres Anliegen Spindeleggers: ein Ende der Visumpflicht für österreichische Türkei-Reisende. Denn Menschen aus zahlreichen anderen EU-Ländern, etwa Deutsche, sind bereits davon befreit. Österreicher bezahlen nach wie vor 15Euro. Spindelegger: „Ich sehe nicht ein, warum das so sein muss.“ Als Gegenleistung kann er freilich keine Visumfreiheit für Türken anbieten. Aber Visum-Erleichterungen für türkische Handelsreisende sollen möglich sein.

Auf einen Blick

Fünf Jahre nach Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen werden die Türken ungehalten, weil sie finden, unfair behandelt zu werden. Außenminister Michael Spindelegger bemüht sich daher bei einem Arbeitsbesuch darum, dass Österreich nicht in die Rolle des Verhinderers gedrängt wird. Gleichzeitig fordert er aber auch Bewegung von der Türkei, zum Beispiel die Visapflicht für Österreicher betreffend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2010)

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