Marvel-Film

„Black Widow“: Ein feministischer Blockbuster

BLACK WIDOW
BLACK WIDOW(c) Marvel Studios
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In „Black Widow“ kämpfen Scarlett Johansson und Florence Pugh darum, Frauen aus der Abhängigkeit eines Mannes zu befreien. Ihre Botschaft hat aber Beigeschmack.

Als die Superheldin Natasha Romanoff alias Black Widow vor gut elf Jahren ihren ersten Auftritt in „Iron Man 2“ hatte, war sie mehr Fleisch gewordener Männertraum als eine weibliche Ergänzung zur Bubenriege im Superhelden-Universum: Die fesche Kämpferin in hautengem Latex bediente vor allem sexuelle Fantasien. „I want some“, sagte Tony Stark alias Iron Man zu ihr. Über Natasha werde in diesem Film „wie über einen Besitz gesprochen“, sagte Schauspielerin Scarlett Johansson, die sie verkörpert, vor Kurzem in einem Interview. Wie über ein „piece of ass“. Natasha Romanoffs neuer, vermutlich letzter Auftritt in „Black Widow“ ist völlig anders: Hier geht es um Schwesternliebe, um Familie und die Geister der Vergangenheit. Er zeigt, wie stark sich das Frauenbild im Hollywood-Mainstream durch #MeToo geändert hat. Dabei ist der Blockbuster auch schon mehr als ein Jahr alt. Nun startet er gleich doppelt, auch das hat sich verändert: Er kommt am 8. Juli ins Kino und wird tags darauf auf dem Streamingdienst Disney+ veröffentlicht.

Schlecht gealtert – wie man es vom neuen Bond befürchtet – ist der Film nicht, im Gegenteil: „Black Widow“ von Regisseurin Cate Shortland ist eine gelungene Rückkehr der Marvel-Superhelden. Zeitlich spielt der Film zwischen den beiden letzten „Avengers“-Teilen (wer „Avengers: Infinity War“ gesehen hat, weiß, warum). Anfangs führt er aber noch weiter zurück in das Jahr 1995. Die junge Natasha lebt mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester Yelena in Ohio. Das Familienidyll in der Vorstadt ist nur Schein: Vater, Mutter und selbst die Töchter sind russische Schläfer-Agenten. Als sie enttarnt werden, müssen sie Hals über Kopf fliehen. Ab dann reiht sich Actionszene an Actionszene – Blockbuster eben.

Ins Handlungsjahr 2016 führt eine starke Montagesequenz zu einer melancholischen Coverversion des Nirvana-Klassikers „Smells Like Teen Spirit“ von Malia J.: Bilder aus dem Sowjetalltag werden zu Fotos aus dem Familienalbum gereiht – nicht plakativ. Das erinnert nicht zufällig an die Eröffnungssequenz der US-Serie „The Americans“ (2013–2018), die das Leben und die Psyche einer Schläfer-Familie sezierte.

BLACK WIDOW
BLACK WIDOW(c) Marvel Studios/Jay Maidment

Wie diese wird auch die Black Widow zuerst einmal gejagt. Das gibt dem Film ein wenig James-Bond-Feeling – mit umgekehrten Rollen. In Budapest trifft Natasha auf die inzwischen erwachsene Yelena (Florence Pugh). Die entfremdeten Ziehschwestern müssen sich das Vertrauen zueinander wortwörtlich erst erkämpfen. Beide sind im Nahkampf erprobt, ausgebildet in einem „Roter Raum“ genannten brutalen Trainingsprogramm. Dessen Aufseher, der ehemalige Sowjetoffizier Dreykov, hat seine Manipulationsmethoden inzwischen perfektioniert: Mittels Nervengas macht er sich junge Frauen untertan und will die Welt kontrollieren.

Natasha und Yelena verbünden sich, um diese Frauen zu retten und um sich für ihre gestohlene Kindheit zu rächen. Hilfe suchen sie ausgerechnet bei ihren Zieheltern, die sie Dreykov überlassen haben. Das Zusammentreffen der vier (das man schon im Trailer sieht) ist besonders schön: Die Töchter haben sich von ihren teils noch verblendeten „Eltern“ längst emanzipiert. Wie Vaterfigur Alexei Shostakov (David Harbour) seinen Tagen als sowjetischer Superheld Red Guardian nachhängt, ist liebenswert lächerlich. Gemeinsam mit Pugh sorgt er für die rührendsten Momente – und die komischsten.

Diese Männer sind nicht ernst zu nehmen

Insgesamt sind die Männerfiguren in dem Film kaum ernst zu nehmen. Bösewicht Dreykov (Ray Winstone) wirkt weniger bedrohlich als sein Handlanger im metallenen Kampfanzug. Aber Dreykov verkörpert das Patriarchat: Mädchen bezeichnet er als eine Ressource, von der es auf der Welt zu viel gebe. Natasha Romanoff weist ihn in die Schranken: „If I don't tell you when to stop, then how are you gonna know when to shut up?“ fragt sie ihn. Wie sagte Virologin Melanie Brinkmann unlängst in einer deutschen Talkshow? „Jetzt rede ich.“

Ein Dilemma in der feministischen Botschaft des Films offenbart sich in der Mutterfigur Melina Vostokoff (Rachel Weisz). Als Leitsatz dient den beiden Schwestern der Rat ihrer Ziehmutter: „Your pain only makes you stronger.“ Muss man hart sein, um in dieser Welt zu bestehen? Erst leiden, um sich zu befreien? Soll das die Moral dieses Films sein?

„Black Widow“, ab 8. Juli in den österreichischen Kinos und am 9. Juli kostenpflichtig auf Disney+, ab Oktober voraussichtlich regulär im Abo

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