Junge Forschung

Das Ta-tamm auf dem Abstellgleis

Der gebürtige Bayer fand eine Methode, wie man die Schienen auf dem Semmering verschweißen kann, ohne dass es zu Schäden an den Gleisen kommt.
Der gebürtige Bayer fand eine Methode, wie man die Schienen auf dem Semmering verschweißen kann, ohne dass es zu Schäden an den Gleisen kommt.TU Graz/Helmut Lunghammer
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Er stellt die Weichen, damit der Bahnverkehr auch in Zukunft wie auf Schienen läuft: Ferdinand Pospischil forscht an Verbesserungen beim Gleis-Oberbau.

Ta-tamm, ta-tamm, ta-tamm. Passionierte Zugreisende kennen das rhythmische Geräusch. Es entsteht, wenn die Räder der Waggons in die Stoßlücken zwischen aufeinanderfolgenden Schienenstücken fallen. „Diese bis zu ein Zentimeter großen Lücken hat man beim Gleisbau gelassen, weil sich die Schienen bei hohen Temperaturen ausdehnen, Platz zum ,Atmen‘ brauchen und eine direkte Verschweißung zu Gleisverwerfungen führen würde“, erklärt Ferdinand Pospischil.

Der gebürtige Bayer, der seit Jänner das neu gegründete Institut für Eisenbahn-Infrastrukturdesign der TU Graz leitet, ist „schuld“ daran, dass das charakteristische Ta-tamm bei Fahrten entlang der Südbahn zwischen Wien und Graz immer seltener zu hören ist: In seiner Doktorarbeit fand er eine Methode, wie man die Schienen im historischen Abschnitt über den Semmering mit seinen vielen engen Kurven verschweißen kann, ohne dass es zu Schäden an den Gleisen kommt. Seit fünf Jahren werden nun die Stoßlücken entlang der 1854 erbauten ältesten Bergbahn Europas Zug um Zug entfernt. „Neben dem höheren Fahrkomfort bringt das einen geringeren Wartungsaufwand, da sich die Enden der Gleise an den Lücken durch den Anprall der Räder immer wieder stark abgenützt haben“, sagt Pospischil. Laut Bundesbahnen sind 96 Prozent des ÖBB-Schienennetzes schon durchgehend verschweißt, nur rund 390 km sind noch in der alten Bauweise ausgeführt. Das Ta-tamm ist weitgehend aufs Abstellgleis verbannt.

Für künftige Belastungen fit machen

In seiner Forschungsarbeit geht der 35-Jährige vor allem der Frage nach, wie das Gleisnetz der Zukunft beschaffen sein muss, um den steigenden Belastungen durch die darüber rollenden Züge standzuhalten und es fit zu machen für die klimapolitisch vorgegebene Forcierung des Personen- und Güterverkehrs per Bahn: Die ÖBB wollen laut „Zielnetz 2025+“ in den nächsten vier Jahren rund 30 Prozent mehr Züge auf die Reise schicken, die Deutsche Bahn plant, das Personen- und Güteraufkommen zu verdoppeln. „Für den sogenannten Oberbau, also die Schienen, die Schwellen und den Schotter, bedeutet das eine enorme Beanspruchung“, sagt Pospischil. „Zu bedenken ist, dass Achslasten von bis zu 22,5 Tonnen einwirken und das Drehgestell der Lokomotiven und Waggons im Gegensatz zu den Reifen eines Autos nicht gefedert ist.“

Schwingungen, Vibrationen, sich temperaturbedingt ändernde Spannungszustände und Kräfte im Gleis führen zur Schwächung des Oberbaus: Die Schienen bekommen Risse oder leichte Wellen, der Schotter wird abgerieben. Regelmäßige Kontrollen und strenge Grenzwerte verhindern, dass es dadurch zu Unfällen kommt, die Instandhaltung ist jedoch teuer und zeitaufwendig. Pospischil: „Ziel unserer Forschung ist daher die Entwicklung eines widerstandsfähigeren Oberbaus. Optimierungen sind unter anderem bei der Form der Schienen, im Bereich der Weichen, in der Dimension der Schwellen oder durch den Einsatz elastischer Elemente denkbar.“ Als erster Schritt werden derzeit Messungen am Gleiskörper – z. B. der Frequenz der Vibrationen und Spannungszustände in den Schienen – durchgeführt. Das Zahlenmaterial wird dann analysiert und für Simulationen verwendet.

Dass Pospischil sich intensiv mit der Bahn über den Semmering befasst hat, ist kein Zufall: Der Wissenschaftler verbringt seine Freizeit gern in den Bergen und ist auch Mitglied der Berg- und Höhlenrettung. Sein bisher spektakulärster Einsatz ging vor sieben Jahren durch die Medien: Ein deutscher Höhlenforscher hatte sich tief im Inneren der Riesending-Höhle nahe Berchtesgaden bei einem Steinschlag schwere Kopfverletzungen zugezogen und wurde in einer elftägigen Rettungsaktion aus dem Schacht geholt. Allein für den Abstieg zum Verletzten benötigte jeder Helfer rund zwölf Stunden. „Mit Seilzügen wurde der Mann in einer Trage Stück für Stück nach oben gehievt“, erinnert sich Pospischil. Und er erzählt vom Glücksgefühl, als der Geborgene am Einstieg zur Höhle an die Besatzung des Rettungshubschraubers übergeben werden konnte. Es war sozusagen höchste Eisenbahn.

zur Person

Ferdinand Pospischil (35) ist Leiter des Instituts für Eisenbahn-Infrastrukturdesign an der TU Graz. Der gebürtige Bayer hat in München und Innsbruck studiert und dort an der Verbesserung des Oberbaus geforscht. Er ist Chefredakteur der größten deutschen Fachzeitschrift für das Eisenbahnwesen, spielt Ukulele, ist Mitglied der Höhlenrettung und Vater eines einjährigen Sohnes.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2021)

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