Barockoper

Zwischen Zaren und Hirten

Bass Olivier Gourdy in „Boris Goudenow“
Bass Olivier Gourdy in „Boris Goudenow“Xavier M Photographie
  • Drucken

Gefühlskonflikte nach allen Regeln der Kunst, ein Politdrama mit Augenzwinkern und exquisite Schäferstündchen nach Noten von Pasquini, Mattheson und Telemann.

Innsbruck. Mit Geduld und Spucke fängt man eine Mucke, sagt das Sprichwort – oder schöner, auf Italienisch: „Chi la dura la vince – Wer durchhält, gewinnt!“ Das wissen sowohl die Verantwortlichen als auch das Publikum bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik: Legte das Festival im vorigen Sommer noch eine bravouröse Tanzsuite mit den und rund um die notwendigen Corona-Einschränkungen aufs Parkett, ist 2021 wieder – beim Theater ist man abergläubisch, also schnell einen krummen Nagel angefasst wie seinerzeit Pavarotti! – Festspielbetrieb wie eh und je möglich. Und das bedeutet in Innsbruck regelmäßig die Wiederentdeckung vergessener großer Opern der Vergangenheit – dafür garantiert Intendant Alessandro De Marchi am Dirigentenpult des Innsbrucker Festwochenorchesters.

Diesmal ein römisches Erfolgsstück des Jahres 1680: Bernardo Pasquinis „L'Idalma overo Chi la dura la vince“. Durchhalteparolen gelten darin für die leidgeprüfte Neapolitanerin Idalma. Mit ihrem heimlich angetrauten Ehemann Lindoro besucht sie dessen Heimatstadt Rom, wo dieser prompt Sehnsucht nach seiner Ex Irene bekommt. Dass Irene mittlerweile Lindoros Freund Celindo geheiratet hat, verhindert nicht das Wiederaufflammen von alten Gefühlen. Dazu verliebt sich Irenes Bruder Almiro in Idalma, die allerdings standhaft bleiben will. Erst nach in schönster Barockmanier verwickelten Intrigen, Missverständnissen, Mord- und Racheabsichten entwirrt sich der Gefühlsknoten zu wohlgefälligster Liebesstrickware: In allgemeiner Versöhnung schließen sich die geläuterten Paare Idalma und Lindoro sowie Irene und Celindo in die Arme. Aficionados wissen: Es kommt weniger auf das Was der Geschehnisse an, sondern vielmehr auf das Wie ihrer musikalischen Ausgestaltung – und wie die jeweiligen Gefühlsregungen der Figuren sich in klingende Effekte verwandeln ließen, das wusste der Komponist genau. Wer durchhält, gewinnt: Pasquini war mit dieser Parole von Kindesbeinen an vertraut. Denn sonst hätte der Bub aus der Toskana keinesfalls jene Virtuosität auf Orgel und Cembalo erlangen können, die ihn bis nach Rom bringen sollte, wo er ab 1667 in den Diensten der Familie Borghese stand. Dass er auch als Opernkomponist reüssierte, das beweist nun die Inszenierung von Alessandra Premoli und einer namhaften Besetzung, angeführt von Sopranistin Arianna Vendittelli und Tenor Rupert Charlesworth.

Die traditionelle „Barockoper:Jung“ widmet sich diesmal einer erstaunlichen Rarität des heutzutage mehr als Musiktheoretiker denn als Komponisten bekannten Johann Mattheson. Dessen 1710 entstandene Oper „Boris Goudenow oder Der durch Verschlagenheit erlangte Thron oder Die mit der Neigung glücklich Verknüpfte Ehre“ blieb vermutlich aus diplomatisch-merkantilen Erwägungen unaufgeführt, ist erst 2005 erstmals erklungen (nach Wiederentdeckung der Partitur in Armenien!) – und schildert Boris' schlau eingefädelten Aufstieg zum Zaren. Regie führt Jean Renshaw, die das unterhaltsame Drama um Liebe und Macht mit einer hochbegabten jungen Besetzung als bissige Polit-Komödie auferstehen lässt. Der Dritte im Opernbunde ist Georg Philipp Telemann mit seiner „Pastorelle en musique oder Musicalisches Hirten-Spiel“, die um 1715 als deutsch-französisches Plaisir herauskam und nun unter Dorothee Oberlinger als Koproduktion bei den Festwochen gastiert: mit dem Ensemble 1700, dem Vokalconsort Berlin und einem von Nils Niemann inszenierten Ensemble, zu dem auch der junge österreichische Countertenor Alois Mühlbacher zählt, der seine Karriere als Sängerknabe begonnen hat.

auf einen Blick

Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

13. Juli bis 29. August 2021
Ticket-Hotline: T +43 512 52074-504
oder direkt auf www.altemusik.at

Alle wichtigen Informationen betreffend des Besuchs der Veranstaltungen der Innsbrucker Festwochen sowie alle Infos zum Programm ebenfalls unter www.altemusik.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.