Gastbeitrag

Exekution von VfGH–Erkenntnissen: Es braucht neue Gesetze

Verfassungsgerichtshof Wien
Verfassungsgerichtshof Wien(c) imago images/CHROMORANGE (Ernst Weingartner via www.imago-images.de)
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Gemessen an den Standards, die sonst für Exekutionen gelten, dürfte das VfGH-Erkenntnis von keinem Gericht vollstreckt werden.

Wien/Innsbruck. Die in der Vorwoche zu Ende gegangene „Exekutionsführung“ gegen Finanzminister Gernot Blümel erregt große Aufmerksamkeit. Von einem noch nie dagewesenen Vorgang war die Rede. Das stimmt, hat aber auch damit zu tun, dass die „geschuldete Leistung“, nämlich die Herausgabe von Aktenmaterial an einen Untersuchungsausschuss, überhaupt erst seit wenigen Jahren, nämlich seit der Reform der Untersuchungsausschüsse im Jahre 2014, exequiert werden kann.

Der Verfassungsgesetzgeber hat leider kein großes Augenmerk darauf gelegt, ein Verfahren zu garantieren, in dem ein klar definierter Exekutionstitel von einem Gericht oder einer Behörde vollstreckt werden kann, sondern beließ es bei der altehrwürdigen Regelung des Art. 146 Abs. 2 der Bundesverfassung, wonach die Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) grundsätzlich dem Bundespräsidenten obliegt. Dieser kann nach seinem Ermessen Gerichte oder Verwaltungsbehörden mit der Vollstreckung beauftragen, die bei der Exekutionsführung seinen Weisungen unterliegen.
Dieses verfassungsgerichtliche „Exekutionsrecht“, für das es keine weiteren, ausführenden Normen gibt, steht im Gegensatz zu den detailreichen Bestimmungen der Exekutionsordnung (EO), die sonst auf die gerichtliche Vollstreckung anzuwenden ist.

Bedenken gegen Vollstreckung

Erkenntnisse des VfGH wie im vorliegen Fall sind unter den taxativ aufgezählten Exekutionstiteln des § 1 EO nicht angeführt. § 1 Z 12 EO betrifft lediglich Erkenntnisse des VfGH, deren „Exekution durch gesetzliche Bestimmungen den ordentlichen Gerichten überwiesen ist.“ Das trifft auf eine Aktenherausgabe durch ein Ministerium nicht zu. Selbst wenn man die Eigenschaft als Exekutionstitel im Sinne der EO bejahen würde, bestünden erhebliche Bedenken gegen die Vollstreckung des konkreten VfGH-Erkenntnisses (UA 1/2021-13), weil die für eine Exekution erforderliche Bestimmtheit des Titels unseres Erachtens nicht gegeben ist.
Gemäß § 7 Abs. 1 EO darf die Exekution nur bewilligt werden, wenn aus dem Exekutionstitel neben dem Berechtigten und dem Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung zu entnehmen sind. Die Verpflichtung, zur Herausgabe sämtlicher E-Mail-Postfächer und gespeicherten Dateien der Bediensteten, mit Ausnahme „der rein privaten Dateien und Kommunikation“, ist unseres Erachtens nicht ohne Eingriff in die Rechte Dritter vollstreckbar. Denn, die Bestimmtheit des Titels muss sich aus dem Titel selbst ergeben. Wer entscheidet aber, was „rein private Dateien und Kommunikation“ heißt und welche Dateien davon erfasst sind?

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