Festivalstart

ImPulsTanz startet: Trommeln, Traum und neue Nähe

Eva Würdinger
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US-Choreografin Meg Stuart kommt mit aufgeladenen Batterien und der Uraufführung ihres Stücks „Cascade“ nach Wien.

Es ist angenehm kühl im Volkstheater. Die Sanierung hat dem Haus gut getan – kein Putz bröckelt von den Mauern, die Goldbordüren sind nachgezogen, und die Klimaanlage werden die Zuschauer diesen Sommer noch zu schätzen wissen. Auch Meg Stuart atmet auf. Sie ist in den letzten Vorbereitungen für die Uraufführung ihres Stücks „Cascade“ am 17. Juli, die sie coronabedingt acht Mal hat verschieben müssen. Jetzt ist es so weit – beim ImPulsTanz-Festival, das heute, Donnerstag, von der Schweizerin Alexandra Bachzetsis eröffnet wird („Private Song“, 20 Uhr, Odeon). „Es war ein intensiver Weg“, erzählt Stuart, die die Coronazeit auch – aber nicht nur – mit ihrer Familie und Kuchenbacken verbracht hat. „Ich habe versucht, nicht zu kapitulieren und dieses Projekt zusammenzuhalten.“ Sie habe auch im Lockdown Kontakt zu ihrer Compagnie Damaged Goods gehalten und dann eben online an „Cascade“ gearbeitet.

„Tanz ist wichtiger geworden“

Jetzt darf man wieder miteinander tanzen, einander berühren. „Ich denke, dass Tanz und Performance durch die Zeit der Lockdowns noch wichtiger geworden sind“, sagt Stuart: „Es ist diese Nähe, die wieder möglich ist, die wir zum Ausdruck bringen. Man spürt eine Veränderung, eine stärkere Verbindung zu den Menschen und eine neue Art der Verantwortung füreinander.“ Wenn sie an Corona denke, dann denke sie weniger an Social Distancing als an „social respect“. Jeder trage nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen die Verantwortung.
Während sie erzählt, tönen entfernte Trommeln durch die Rote Bar des Volkstheaters. Die Musiker spielen sich auf der Bühne ein. Brendan Dougherty, der schon den Soundtrack zu Stuarts Stück „Violet“ (das am 26. Juli gezeigt wird) beigesteuert hat, hat die Live-Trommeln und elektronische Sounds zu „Cascade“ kreiert. Er nimmt den Zuschauer musikalisch mit auf die Reise der Performer, die in „Cascade“ in eine Traumvision geworfen werden, in der die Grenzen von Zeit und Raum aufgehoben scheinen.

Die Vorfreude ist spürbar. „Durch das Stocken unserer Arbeit, durch diese erzwungene Coronaruhe haben wir unsere Batterien neu aufgeladen. Jetzt haben wir wieder Reserven“, sagt Stuart. „Das fühle ich auch bei den Tänzerinnen und Tänzern: diese Sehnsucht, zur Essenz der Dinge vorzudringen.“ Die Trommeln sollen an das erinnern, was uns verbindet und bewegt. „Zwischen diesem Sound und dem eher verträumten, kosmischen Bühnenbild von Philippe Quesne herrscht eine starke Spannung wie zwischen zwei Polaritäten – auf der einen Seite der Himmel, das Weltall, auf der anderen Seite die Erdung durch die Musik.“ Dazu verspricht Stuart eine Prise Humor und die Einladung zum Staunen, wie wir es seit unserer Kindheit längst verlernt haben.

„Wir funktionieren nicht in Isolation“ 

Seit den 1990er-Jahren gastiert Stuart regelmäßig beim ImPulsTanz. „Ich habe so viele Erinnerungen, ich kenne das Team. Es ist ein Platz, an dem wir aufgewachsen sind.“ Sie freut sich, wenn junge Tänzer und Choreografen von der Nachwuchsschiene auf die großen Bühnen nachrücken. „Ich bin überwältigt von deren Enthusiasmus.“ Das Wiener Festival biete nicht nur Performances und Workshops, es gehe auch darum, Zeit miteinander zu verbringen. „Das ist sehr wertvoll. Ich schätze diese persönliche Atmosphäre. Das ist, wo sich Ideen bewegen, wo Informationen ausgetauscht und Verbindungen geknüpft werden. Wir funktionieren nicht in der Isolation“, sagt Stuart – und denkt das auch größer an: Statt einander Vorwürfe zu machen, sollte man die Coronasituation als Chance für mehr Einfühlsamkeit sehen, findet sie, „damit die Gräben in der Gesellschaft oder zwischen den Nationen nicht weiter aufreißen“.

ImPulsTanz: 15. Juli bis 15. August an verschiedenen Spielorten in Wien. Informationen: www.impulstanz.com

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