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Hubert Aiwanger: Bayerns Impfskeptiker in der Landesregierung

Die Impf-Debatte sorgt für für Ärger zwischen Aiwanger (Mitte) und Söder (Spiegelung links).
Die Impf-Debatte sorgt für für Ärger zwischen Aiwanger (Mitte) und Söder (Spiegelung links).imago images/Sven Simon
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Der bayerische Vize-Ministerpräsident und Chef der Freien Wähler will sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen und fällt mit drastischen Aussagen gegen einen Impfzwang auf. Das schafft Aufmerksamkeit in Bundestagswahlkampf und Ärger in der Koalition.

Hubert Aiwanger ist ein bayerischer Politiker par excellence, fast schon im Stile von Ex-Regierungschef Edmund Stoiber kann der Chef der Freien Wähler auch schon einmal absurde Wortmeldungen abliefern - in tiefstem niederbayerischen Dialekt. Aiwanger ist seit Ende 2018 Wirtschaftsminister im Freistaat und Vize-Ministerpräsident. Und jetzt hat Aiwanger die Wählergruppe der Impf-Skeptiker für sich entdeckt.

So viel Aufmerksamkeit bekommt der kleine Koalitionspartner von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) selten. Doch in der Debatte um die Corona-Impfung drängt Aiwanger in den Vordergrund und bringt die CSU mit seinen Aussagen zur Verzweiflung. Mit dem politischen Fischen nach Wählern, die der Corona-Impfung eher skeptisch gegenüber stehen, erhofft sich Aiwanger die nötigen Stimmen bei der kommenden Parlamentswahl im Herbst, um die bayerische Kleinpartei auch in den Berliner Bundestag zu bringen.

In der Talkshow „Maischberger. Die Woche“ legte der Freie-Wähler-Chef am Mittwoch erneut nach. Eine Impfung gegen Covid-19 sei „im Gesamten sicherlich sinnvoll“, doch selbst will er sich nicht impfen lassen. Die Gründe dafür lässt Aiwanger jedoch offen. Eine „kalkulierte Zweideutigkeit“, analysiert dieses Vorgehen die „Süddeutsche Zeitung“. Die Impfung nicht verteufeln, aber stets eigene Zweifel in den Raum stellen - das schafft Öffentlichkeit, wie die Einladung in diverse Talkshows zeigt.

Aiwangers Sorge vor „heftigen Nebenwirkungen“, die Vermischung von Nebenwirkungen und Impfreaktion, seine Warnung vor einer „Apartheidsdiskussion“ und einer „Jagd“ auf Ungeimpfte im Rahmen der Impfzwang-Debatte sorgen für Unruhe in der Landesregierung. Ministerpräsident Söder grenzt sich zwar regelmäßig deutlich ab, doch ein hartes Durchgreifen sieht anders aus. Immerhin ist Führungsstärke ansonsten eine jener Eigenschaften, die sich der Ministerpräsident gerne selbst zuschreibt.

Aiwanger: „Bewusste Falschbehauptung“

Söder hatte im großen ZDF-Sommerinterview erklärt, dass es Aiwangers Privatsache sei, ob dieser sich impfen lasse. Doch es gehe ihm um die Behauptungen zu angeblichen Nebenwirkungen oder nicht bewiesener Wirksamkeit seines Koalitionspartners.

Scharfe Kritik an Aiwanger kommt auch vom CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt: „Er hat in Stil und Sprache inzwischen das Niveau der Querdenker erreicht", wird Dobrindt im „Straubinger Tagblatt" und in der „Abendzeitung“ zitiert. Er rate ihm „dringen, das zu überdenken“.

Aiwanger konterte und warf Söder eine „bewusste Falschbehauptung“ vor. Er habe stets gesagt, Impfen sei „ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Corona, aber es muss freiwillig bleiben“. Es sei eine Unverschämtheit, ihn als „Querdenker" abstempeln zu wollen, „weil ich gegen die Impfpflicht bin und mehr Sensibilität einfordere beim Thema Impfen von unter 12-Jährigen, was auch die Stiko (die ständige Impfkommission, Anm.) bisher nicht empfiehlt."

Aiwangers Coup

Aiwanger und die Freien Wähler gehörten zu den Siegern des Wahlabends im Oktober 2018 in Bayern: Seine Freien Wähler erreichten mit rund 11,5 Prozent ein Rekordergebnis. Der am 26. Januar 1971 in Ergoldsbach in Niederbayern geborene Aiwanger ist derjenige, der als Erster die Vormachtstellung der CSU brechen konnte. Aiwanger stieg mit seiner Wählergruppierung in Bayern nämlich zur ernst zu nehmenden Kraft auf, als die CSU von 2003 bis 2008 noch mit einer heute unvorstellbaren Zweidrittelmehrheit regierte.

Die Unzufriedenheit der Wähler nach der Reformwut von CSU-Chef und Ministerpräsident Edmund Stoiber und dem dann folgenden chaotischen Sturz Stoibers konnten Aiwanger und seine Mitstreiter nutzen und 2008 mit über zehn Prozent erstmals in den Landtag einziehen. Es handelte sich um Stimmen, die zum größten Teil von früheren CSU-Wählern kamen und die der CSU bis heute fehlen, wie sich auch am Wahlabend zeigte.

Schon 2008 erschienen die Freien Wähler vielen bereits als der natürliche Koalitionspartner der CSU. Doch der damals neue Ministerpräsident Horst Seehofer setzte darauf, dass sich die Freien Wähler ohne Regierungsbeteiligung als Phänomen von selbst erledigen. Da hatte Seehofer den zähen Aiwanger falsch eingeschätzt: 2013 zog er mit seinen Leuten erneut in den Landtag ein, dies hat er nun eindrucksvoll wiederholt.

„Die letzten vernünftigen Konservativen"

In seiner Partei gebe es "die letzten vernünftigen Konservativen - nur mit uns wird es eine bürgerliche, wertkonservative Regierung geben", sagte Aiwanger kürzlich. Der Hauptvorzug seiner Partei ist aus seiner Sicht ihre Bürgernähe, die auch Aiwanger verkörpert.

Der zweifache Vater - seine Lebensgefährtin ist Freie-Wähler-Landrätin - scheint omnipräsent bei Veranstaltungen. Der studierte Agraringenieur betreibt einen kleinen Bauernhof in Rahstorf und ist Hobbyjäger. Und auch nach zehn Jahren in der Landespolitik spricht er so einen ausgeprägten niederbayerischen Dialekt, dass er manchmal Äußerungen wiederholen muss, damit sie verstanden werden.

An sich wäre Aiwanger also jemand, der wie der Idealtypus eines CSU-Politikers klingt. Doch bei seinem späten Einstieg in die Politik erst mit 30 Jahren entschied sich Aiwanger bewusst für die Freien Wähler. Die CSU war ihm zu arrogant, wie er einmal sagte.

(klepa/Ag.)

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