Weltrechtsprinzip

Massenhinrichtungen 1988: Iraner Nouri steht in Stockholm vor Gericht

Vor dem Gerichtsgebäude in Stockholm fordern Angehörige der Opfer von damals Gerechtigkeit.
Vor dem Gerichtsgebäude in Stockholm fordern Angehörige der Opfer von damals Gerechtigkeit.APA/AFP/TT NEWS AGENCY/STEFAN JE
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Nouri wird die Beteiligung an der Tötung Tausender Iraner unter Khomeini vorgeworfen. Er war 2019 nach Schweden gelockt worden, wo ihm nun der Prozess gemacht wird.

In Schweden hat am Dienstag der Prozess gegen den Iraner Hamid Nouri wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an Massenhinrichtungen von Oppositionellen im Iran 1988 begonnen. Der 60-Jährige erschien in Begleitung von zwei Anwälten vor dem Stockholmer Gericht. Ihm wird nach Angaben der Justiz eine Beteiligung an der "vorsätzlichen Tötung einer großen Zahl von gefangenen Unterstützern oder Angehörigen der Volksmujahedin" vorgeworfen. Der historische Prozess dürfte die Spannungen mit dem Iran weiter anheizen.

Nouri war während der Massenhinrichtungen unter dem damaligen Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini Assistent des stellvertretenden Staatsanwalts im Gefängnis Gohardasht in Karaj westlich von Teheran. In der Schlussphase des Iran-Irak-Krieges (1980-1988) wurden landesweit Tausende Iraner hingerichtet.

Das Weltrechtsprinzip

Nach Angaben der schwedischen Staatsanwaltschaft erfolgten die Hinrichtungen auf Befehl von Ayatollah Khomeini, dem Gründer der Islamischen Republik, und richteten sich vor allem gegen Angehörige der Volksmujahedin (Mojahedin-e Khalq). Khomeini reagierte damit auf Angriffe des bewaffneten Arms der Mujahedin auf die Staatsführung.

Nach dem Weltrechtsprinzip kann Nouri auch in Schweden der Prozess gemacht werden. Er war im November 2019 am Stockholmer Flughafen festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Nouri weise "jede Anschuldigung einer Verwicklung in die mutmaßlichen Hinrichtungen von 1988" zurück, sagte sein Anwalt Thomas Söderqvist der Nachrichtenagentur AFP.

Die Anklage gegen den 60-Jährigen sei ein wichtiges Signal, dass selbst weit zurückliegende und außerhalb des Landes begangene Verbrechen in Schweden strafrechtlich verfolgt werden könnten, sagte Staatsanwältin Kristina Lindhoff Carleson.

Eine Sprecherin des Stockholmer Gerichts nannte den Fall eine Premiere in der Geschichte beider Länder. Für diese Woche sind an drei Tagen Anhörungen angesetzt. Ein Urteil wird für April 2022 erwartet.

Demonstranten fordern Strafe auch für Präsident Raisi

Mehrere hundert Demonstranten versammelten sich vor dem Gerichtsgebäude, hielten Fotos der getöteten iranischen Häftlinge in die Höhe und forderten Gerechtigkeit für die schätzungsweise 5000 Opfer.

Die Demonstranten forderten, auch den erst kürzlich vereidigten iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi zur Rechenschaft zu ziehen. Menschenrechtsorganisationen werfen ihm vor, ebenfalls an den außergerichtlichen Tötungen beteiligt gewesen zu sein.

Wie der schwedische Sender SVT berichtete, lockten Überlebende Nouri ins Land. Sie gaukelten ihm demnach vor, dass ihn dort Frauen, Alkohol und "eine gute Zeit" erwarte. "Wir haben ihm eine Falle gestellt", sagte Iraj Mesdaghi dem Sender.

(APA/AFP/dpa)

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