EU-Insitutionen

"Keine Freiheit ohne freie Medien": Brüssel kritisiert polnisches Mediengesetz

"Wolne media" - "freie Medien": Menschen gehen in Polen gegen das umstrittene Gesetz auf die Straße.
"Wolne media" - "freie Medien": Menschen gehen in Polen gegen das umstrittene Gesetz auf die Straße.(c) Agencja Gazeta via REUTERS (JAKUB WLODEK)
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EU-Parlamentspräsident Sassoli bezeichnet das neue Rundfunkgesetz als „ernst zu nehmende Gefahr" für das unabhängige Fernsehen im Land, die EU-Kommissionsvizepräsidentin als „negatives Signal“. Warschau weist die Kritik zurück.

EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova und EU-Parlamentspräsident David Sassoli haben das im polnischen Parlament gebilligte, neue Rundfunkgesetz kritisiert. "Medienpluralismus und Meinungsvielfalt sind das, was starke Demokratien begrüßen und nicht bekämpfen", schrieb Jourova am Donnerstag auf Twitter. Der Gesetzesentwurf sende "ein negatives Signal". Warschau wies indes US-Kritik an dem Gesetz zurück.

Sassoli bezeichnete den Entwurf als ernst zu nehmende Gefahr für das unabhängige Fernsehen im Land. "Es kann keine Freiheit ohne freie Medien geben", so der EU-Parlamentspräsident am Donnerstag auf Twitter.

Gegen Privatsender TVN gerichtet?

Die Änderung im Rundfunkgesetz sieht vor, dass künftig in Polen Rundfunklizenzen nur noch dann an Ausländer vergeben werden dürfen, wenn diese "ihre Zentrale oder ihren Wohnsitz im Bereich des Europäischen Wirtschaftsraums haben". Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Privatsender TVN, der über eine in den Niederlanden registrierte Holding Teil des US-Konzerns Discovery ist und regierungskritisch berichtet. Besonders der Nachrichtensender TVN24 vertritt eine regierungskritische Linie.

Bei der Abstimmung über die Änderung des Rundfunkgesetzes stimmten am Mittwochabend 228 Abgeordnete dafür, 216 dagegen. Zehn weitere enthielten sich der Stimme. Die Gesetzesänderung muss nach der Zustimmung im Sejm, der ersten Kammer des Parlaments, noch den Senat passieren, die zweite Kammer. Dieser kann noch Änderungsvorschläge machen.

Ministerpräsident: Nicht auf „konkrete Fernsehsender“ abgezielt

US-Kritik an der Änderung des Rundfunkgesetzes konterte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Donnerstag mit der Forderung, Experten in Washington sollten genau analysieren, worum es gehe. "Es gibt hier keine Absichten in Bezug auf konkrete Fernsehsender." Vielmehr gehe es darum, die Regelungen so lückenlos zu machen, dass Firmen von außerhalb der EU sich nicht beliebige Medien in Polen kaufen könnten.

US-Außenminister Antony Blinken hatte gesagt, sein Land sei "tief beunruhigt" über das Gesetz. Er forderte die Regierung in Warschau auf, ihren Einsatz für demokratische Werte und Pressefreiheit unter Beweis zu stellen. Die USA sind NATO- und enger außenpolitischer Partner Polens und seiner Russland-kritischen Politik.

Entwicklungen mit großer Sorge beobachtet

Der deutsche Journalisten-Verband (DJV) rief den polnischen Senat dazu auf, das Gesetz zu verhindern. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall bezeichnete es als Sargnagel für die Reste der Presse- und Rundfunkfreiheit in Polen. "Dass die stramm rechte PiS-Partei ein Problem mit unabhängigem Journalismus hat, ist seit langem bekannt", erklärte der Gewerkschaftschef. "Dass diese Haltung Gesetzeskraft erlangen soll, ist mit den europäischen Grundwerten der Presse- und Meinungsfreiheit unvereinbar."

Der in Polen stark engagierte, deutsche Axel-Springer-Verlag sieht das umstrittene Mediengesetz und die Entwicklungen dort mit Sorge. Man sei zwar von der Reform nicht unmittelbar betroffen, weil man in Polen keine TV-Lizenzen habe, erklärte das Berliner Unternehmen. Ein Konzernsprecher betonte aber auch: "Wir stehen für Freiheit und Pressefreiheit als wichtige Säule demokratischer Gesellschaften und sind daher besorgt über die aktuellen Entwicklungen." Polen ist neben Deutschland und den USA einer der Kernmärkte für Springer. Das Gemeinschaftsunternehmen der Berliner mit dem Schweizer Ringier-Verlag betreibt in Polen mit rund 2.000 Beschäftigten etwa 30 Marken, darunter Polens größte Zeitung Fakt und das Internetportal Onet.

(APA/dpa)

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