Das „Hula-Hooping Girl“ von Banksy (Oktober 2020), als es seinen Fahrradreifen noch an einer Hausmauer in Nottingham um die Hüften schwang.
Kunst und Recht

Wem gehört Street-Art?

Seitdem Graffitikünstler zu Lieblingen des Kunstmarktes avanciert sind, fordern die Gesetzlosen immer öfter vor der Justiz ihre Rechte ein – mit Erfolg.

Wo ist unser Mädchen mit dem Fahrradreifen hin?“, fragten sich die erbosten Bürger von Nottingham im Februar. Wo eben noch das Schablonenbild des gefeierten Street-Art-Künstlers Banksy ein wenig Glanz und viele Touristen in eine trostlose Vorstadt gebracht hatte, klaffte ein Loch in der Mauer. Ein Kunsthändler hatte es dem Hausbesitzer abgekauft und über Nacht samt Ziegeln herausgeschnitten. Der Galerist wurde in Hassmails beschimpft, als „Dieb“, „Kunsträuber“ und „Nazi“. Er selbst sieht sich als Retter von „Hula-Hooping Girl“: Der Hausbesitzer, von den Schaulustigen genervt, bot das unerbetene Geschenk der Stadt und lokalen Institutionen an, aber die wollten es nicht, weil die Erhaltung so heikel ist. Mit dem Plexiglas, das die Stadtverwaltung auf die Farbe gepresst hatte, wäre es bald der Feuchtigkeit erlegen. Der Händler ließ es fachkundig restaurieren. Klar, ein gutes Geschäft machte er auch. Obwohl das Komitee, das dem Phantom Banksy assistiert, sich weigerte, das nunmehr museale Mädchen zu authentifizieren.

Die Episode zeigt: Bei der Street-Art ist nichts mehr, wie es war. Nacht-und-Nebel-Aktionen waren früher allein Sache der Graffitisprayer, die anonym bleiben wollten und froh waren, wenn die Polizei sie bei ihren „Vandalenakten“ nicht erwischte. Dass sie ephemere Gebilde schufen, die sich ihrem Zugriff entzogen, jederzeit davon bedroht, übersprüht oder übertüncht zu werden, erduldeten sie mit der stolzen Attitüde von zum Scheitern verurteilten Helden, erhoben es zum Ethos ihres Tuns, zum Charme ihres Genres. Aber in dem Maß, in dem die Kunst der Straße – wie paradox! – salonfähig geworden ist und Sammler für Arbeiten von Banksy, Fairey oder Swoon hohe Summen ausgeben, wächst das Selbstbewusstsein der Szene. Die Gesetzlosen fordern ihre Rechte ein – und Juristen freuen sich über eine ergiebige neue Grauzone.

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