Literatur

Mit Orpheus in Paris

Anne Weber Tal der Herrlichkeiten Roman. 260 S., geb., € 20,95 (Verlag Matthes & Seitz Berlin, Berlin)
Anne Weber Tal der Herrlichkeiten Roman. 260 S., geb., € 20,95 (Verlag Matthes & Seitz Berlin, Berlin)
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Aus einem Kuss wird heftige Liebe, die sogar Naturgesetze überwindet. Anne WebersRoman „Tal der Herrlichkeiten“ greift weit aus ins Mythologische.

Er hätte die einmalige Chance gehabt, sie retten zu können. Er hätte vertrauen müssen und eines unterlassen sollen, nämlich sich umzudrehen. Die Rede ist von Orpheus, diesem begnadeten Sänger und Archetypus des Dichters, dessen Spiel mit der Lyra sogar die Götter zu bezirzen wusste. Verzaubert von seinen Klängen, gewährten sie ihm, das Totenreich zu betreten, um seine verstorbene Eurydike ins Diesseits zurückzuführen. Bekanntlich scheiterte das Unterfangen am falschen Blick zur falschen Zeit. Geblieben ist von der schmerzvollen Ovid'schen Sage bis heute vor allem das Narrativ für Jenseitsreisen schlechthin.

Dass uns diese Story noch immer viel sagen kann, belegt der Roman „Tal der Herrlichkeiten“ von Anne Weber, der nun in überarbeiteter Neuauflage vorliegt. Ihr in die Jahre gekommener Protagonist Sperber hat sich vom Trubel der Hauptstadt zurückgezogen und verbringt die Tage in der Bretagne als ernüchterter Einsiedler, der alles verloren hat. „Den Schädel hatte er sich kahl rasiert, solange es noch etwas zu rasieren gab, und mit den Hoffnungen und Illusionen hatte er es ähnlich gehalten.“ Als er jedoch während eines Spaziergangs unversehens von einer Fremden geküsst wird, nimmt sein Leben eine Wendung. Er beschließt, sie zu suchen, kehrt dafür gar nach Paris zurück und hat Glück. Wie ein Blitz erfasst ihn eine amouröse Verzückung: intensiv, überwältigend, existenziell. Zur Beschreibung der daraus folgenden, anmutigen Beziehung nutzt Weber sämtliche Bilder und Gegensatzpaare, die zusammengenommen die Idee einer utopischen Ganzheitlichkeit des Kosmos widerspiegeln.

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