Polen in der Defensive

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Israels Außenminister Yair Lapid bezeichnet Regierung in Warschau als „antidemokratisch“. Der Privatsender TVN24 sichert sich niederländische Lizenz.

Warschau/Jerusalem. Die polnische Regierung hat an immer mehr Fronten zu kämpfen. Zum Streit mit der EU wegen der Aushöhlung der Gewaltenteilung durch die nationalpopulistische Regierung in Warschau und dem Zwist mit den USA um den regierungskritischen Fernsehsender TVN kommt nun ein Konflikt mit Israel hinzu.

„Die Tage sind vorbei, als Polen Juden ohne Konsequenzen Schaden zufügten“, sagte Außenminister Yair Lapid am Montag. Israel habe nicht vor, „die Augen vor dem beschämenden Verhalten der antidemokratischen polnischen Regierung zu verschließen“. Der israelische Gesandte in Polen wurde bereits am Wochenende zu unbefristeten Beratungen zurückgerufen. Der neue Botschafter Israels in Polen, der in den kommenden Tagen in Warschau eintreffen sollte, wird laut Lapid nicht nach Polen reisen.

Hintergrund des Streits ist eine in der vergangenen Woche beschlossene Änderung des polnischen Verwaltungsrechts, das Staatspräsident Andrzej Duda am Samstag unterzeichnet hat. Sie sieht vor, dass Verwaltungsentscheidungen nach 30 Jahren nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Israel befürchtet damit ein Ende der Entschädigungen für Enteignungen von Juden im Gefolge des Holocausts, während Präsident Duda am Wochenende davon sprach, das neue Gesetz werde der „Reprivatisierungsmafia“ einen Riegel vorschieben.

„Hass gegen Polen“

Die polnische Regierung bezeichnet die Vorwürfe als haltlos und sieht sich selbst in der Opferrolle. Premierminister Mateusz Morawiecki kündigte die Rückkehr der Kinder des polnischen Botschafters in Israel nach Polen an. Grund dafür sei der „Anstieg von Hass gegen Polen“ in Israel, sagte er im staatlichen polnischen Fernsehsender TVP. „Wenn die israelische Regierung Polen weiter angreift, wird das einen sehr schlechten Einfluss auf unsere Beziehungen haben – sowohl bilateral als auch auf internationaler Ebene“, sagte der Regierungschef. Gemäß einer Stellungnahme des polnischen Außenamts sei die Herunterstufung der diplomatischen Vertretung Israels in Warschau grundlos. Die polnische Regierung werde entsprechende politische und diplomatische Maßnahmen ergreifen.

Im Kampf gegen den US-Medienkonzern Discovery, dem der polnische Sender TVN gehört, haben die Rechtspopulisten indes einen Rückschlag erlitten. Wie das Unternehmen am Montag bekannt gab, verfügt sein Nachrichtenkanal TVN24 mittlerweile über eine niederländische Sendelizenz und darf somit in Polen über Satellit empfangen werden. TVN hatte sich seit eineinhalb Jahren um eine Verlängerung seiner polnischen Lizenz für TVN24 bemüht – ohne Erfolg.

Das neue Mediengesetz, das vergangene Woche unter heftiger Kritik der Opposition vom Unterhaus beschlossen worden ist, sieht vor, dass polnische Medienunternehmen keine Eigentümer von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums haben dürfen. Kritiker werfen der Regierung vor, sie wolle Discovery zum Verkauf von TVN an einen handverlesenen polnischen Investor zwingen, um den unabhängigen TV-Sender vor der Parlamentswahl (sie soll planmäßig 2023 stattfinden) unter ihre Kontrolle zu bringen. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2021)

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