Gastkommentar

Jetzt nur Frauen und Kinder aus Afghanistan aufnehmen

Kabul: Eine Mutter steht in der Schlange vor dem Passamt.
Kabul: Eine Mutter steht in der Schlange vor dem Passamt. APA/AFP/SAJJAD HUSSAIN
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Der Westen hinterlässt verbrannte Erde. Wieder einmal. Und die Islamisten übernehmen die Macht. Was können wir tun? Alice Schwarzer spricht sich dafür aus, nur Frauen und Kinder aus Afghanistan aufzunehmen.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Dieser Kommentar erschien zuerst in der Online-Ausgabe der feministischen Zeitschrift „Emma“.

Afghanistan ist wieder in der Faust der Taliban. Nach dem überstürzten Abzug der Amerikaner und der Deutschen aus Afghanistan haben die Taliban das Land im Handstreich zurückerobert. Die angeblich 300.000 vom Westen ausgebildeten Soldaten der Ex-Regierung sind in Scharen zu den anfangs 75.000 Taliban übergelaufen. Weil sie sympathisieren; weil ihnen der örtliche Warlord immer schon näher war als der ferne Präsident; weil es ihnen als Söldner egal ist, wessen Brot sie essen; oder weil sie ganz einfach Angst hatten.

Damit erleidet Afghanistan zwanzig Jahre später das Schicksal des Irak. In beiden Ländern wurden die gleichen Fehler begangen – oder sollte man sagen, wurden die Menschen Opfer des westlichen Hochmuts? Die Einheimischen wie die fremden Soldaten. Den Irak besetzte der Westen 2003 unter dem Vorwand einer von Anbeginn an durchsichtigen Lüge: Saddam Hussein horte Massenvernichtungswaffen. In Afghanistan lautete der Vorwand, man wolle die Menschenrechte und vor allem die Frauenrechte schützen (O-Ton Hillary Clinton).

Eigeninteresse als wahres Motiv

In beiden Fällen waren die wahren Motive Eigeninteressen: geopolitische Erwägung (die Nähe zu Russland und China) oder materielle Interessen (Öl). Und in beiden Fällen versuchte der Westen, seine Auffassung von Demokratie überzustülpen – was in dem nach Stämmen organisierten Afghanistan absurd ist.

Alle, die nicht auf den Knien liegen, Frauen wie Männer, werden jetzt ihr Leben oder zumindest ihre Freiheit verlieren. Als erstes aber werden die Frauen und Mädchen aus der Öffentlichkeit verjagt; von den Schulen und Universitäten, aus den Büros und von der Straße. Aus Kabul ist zu hören, dass die Burkas ausverkauft sind.

Das verbrannte Land, das der Westen hinterlässt, ist – ganz wie in Irak oder Libyen – jetzt Islamisten-Land.

Die fatale weltweite Interventionspolitik des selbstgerechten Westens ist endgültig gescheitert. Auch die Tausenden von getöteten oder traumatisierten Soldatinnen und Soldaten, die wir an den Hindukusch geschickt haben, um „Deutschland zu verteidigen“, waren umsonst. Das ist bitter, sehr bitter.

Die Nachbarländer, wie Tadschikistan, haben schon aufgerüstet. Denn auch sie sind in Gefahr. Und die Großmächte Russland und China versuchen gerade, sich mit den Taliban zu arrangieren. Der Westen ist raus.

Sie sind in höchster Not

Afghanische Terroristen werden sehr bald auch bei uns sein. Sie werden sich, gezielter denn je zuvor, unter die zu erwartenden Flüchtenden mischen. Ein Grund mehr, jetzt nur Frauen und Kinder aus Afghanistan aufzunehmen! Da Deutschland eh nicht allen Menschen aus der nächsten Flüchtlingswelle Schutz geben kann, sollte es sich auf die Afghaninnen beschränken. Denn die sind in der höchsten Not.

Das könnte nicht die Ehefrau auf dem Land retten, die ohne männliche Begleitung schon gar nicht mehr das Haus verlassen darf. Aber es könnte den vielen Frauen nutzen, die sich in den Städten an die Öffentlichkeit gewagt haben. Die Lehrerinnen, Journalistinnen, Politikerinnen und Frauenrechtlerinnen; kurzum alle, die sich, ermutigt vom Westen, emanzipiert haben. Ihnen müsste ein Weg angeboten werden, zu uns zu kommen – und vielleicht eines Tages sogar zurückkehren zu können.

Zur Person: Alice Schwarzer wurde 1942 in Wuppertal geboren und ist eine der bekanntesten Feministinnen Europas. Sie ist als Journalistin und Publizistin tätig und gründete 1977 die Zeitschrift „Emma“.
Zur Person: Alice Schwarzer wurde 1942 in Wuppertal geboren und ist eine der bekanntesten Feministinnen Europas. Sie ist als Journalistin und Publizistin tätig und gründete 1977 die Zeitschrift „Emma“.APA/dpa/Oliver Berg

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