Österreichs Gletscher schmelzen schneller

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Das Ungleichgewicht der alpinen Gletscher läuft immer deutlicher aus dem Ruder. In einigen Jahrzehnten wird es die meisten von ihnen nicht mehr geben.

Die alpinen Gletscher sind in einem sehr schlechten Zustand: Das ist eine der Kernaussagen einer Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (OeAW), die nun abgeschlossen worden ist. Studienautorin Lea Hartl: „In Fachkreisen gab es immer wieder Diskussionen darüber, inwieweit Gletscher – insbesondere in höheren Gebirgsregionen – zwar abschmelzen, sich in dann aber bei kleinerer Ausdehnung einem neuen Gleichgewicht annähern könnten, bei dem die Massenzunahme im Winter und das Abschmelzen im Sommer näher beieinander liegen.“

Dieser wissenschaftliche Diskurs muss zumindest für die untersuchten Regionen in Tirol und Vorarlberg als beendet betrachtet werden: Ein neues Gleichgewicht ist nicht ersichtlich. Denn die Berechnungen der Gletscher in den Ötztaler und Stubaier Alpen und im österreichischen Anteil der Silvretta zeigen, dass die Abnahme immer rascher abläuft. „In ein paar Jahrzehnten wird es diese Gletscher dann wohl nicht mehr geben,“ so die Glaziologin.

Der Vorgang ist äußerst komplex: Denn einerseits reagiert das Klima auf den verstärkten Ausstoß von Treibhausgasen mit einer Zeitverzögerung von einigen Jahrzehnten. Das Ausmaß der Erwärmung in den kommenden Jahren ist nicht zu bremsen, zumal dies eine Reaktion auf die bereits erfolgten Emissionen der vergangenen Jahrzehnte ist. Und auch ein Gletscher selbst reagiert auf die Klimasignale mit einer Zeitverzögerung „je nach Gletscher von etwa 15 bis 50 Jahren“, so Lea Hartl. Die Dauer wird durch lokale Faktoren beeinflusst – von der Beschattung über die Seehöhe bis zur Dicke und Ausdehnung des Eises.

In der nun publizierten Arbeit haben Hartl und ihre Kolleginnen festgestellt, dass das Abschmelzen nicht gleichmäßig erfolgt und sich jedenfalls beschleunigt hat. „Wir haben drei Zeiträume verglichen – die Jahre 1969 bis 1997 mit den darauffolgenden bis 2006 und die Periode zwischen 2006 bis 2017/18.“ Vor allem zwischen den beiden ersten Vergleichszeiträume hat es sehr deutliche Veränderungen gegeben. „Ergebnis: Die Verluste haben nicht nur zugenommen, die Verteilung über die Gletscherfläche hat sich auch verändert. In der ersten Zeitperiode waren die Verluste oft noch gleichmäßiger über die Gletscherflächen verteilt, da die Fließbewegung des Eises von oben nach unten das Abschmelzen an den Zungen zumindest teilweise ausgleichen konnte. Das ist immer weniger der Fall.“

Es ist eine Beschleunigung zu beobachten. Die bekommt noch einen weiteren Schub, wenn das Schmelzwasser Trichter bildet oder das Eis unterspült wird. Hartl: „Manche Gletscherzungen zerfallen regelrecht. Seitenarme der Gletscher verlieren die Verbindung zu Hauptzungen, unterspülte Bereiche stürzen ein.“

Es gibt Ausnahmen, die fallen in der Gletscherbilanz aber nicht wirklich ins Gewicht: „Nur einige wenige, sehr kleine Gletscher, die kaum noch als solche zu erkennen sind, haben sich von einem Zustand großen Ungleichgewichts wieder etwas mehr einem Gleichgewicht angenähert. Diese Ausnahmen sind bedingt durch günstige, lokale Gegebenheiten, etwa Schneeeintrag durch Lawinen. Aber: Auch diese Gletscher verlieren weiterhin Masse, nur nicht mehr so schnell.“

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