Am Ende des Abends wird ein Mann ein blutiges Tampon aus ihrer Vagina ziehen: „I May Destroy You“ von und mit Michaela Coel (Mitte links).
Debatte

Sind wir prüder geworden?

Unsere Gesellschaft wird nicht prüder, da muss man nur einen Blick in neue Bücher oder Serien werfen. Aber sie wird empfindlicher, was die „sentimentale Betrachtung“ von Schönheit betrifft, wie das eine Suffragette einst formuliert hat.

Da stand er, der Mann, etwas älter schon, aber noch nicht alt, im Wiener Stadtpark und deutete auf das Johann-Strauß-Denkmal hinter sich. „Sehen Sie“, rief er: „Das wäre doch heute gar nicht mehr möglich!“ Er meinte nicht das Blattgold. Er meinte auch nicht die Statue selbst. Sondern die Reliefs des Rundbogens, der den Musiker und seine Geige umrahmt: Da räkeln sich Frauen aus weißem Marmor, zeigen hier eine zarte Brust, dort einen wohlgeformten Schenkel. „Dafür sind wir doch heute viel zu prüde!“

Darüber wird gern geklagt, öffentlich und privat: dass unsere Gesellschaft zunehmend spießig werde. Überall feministische Anstandswauwaus, die keinen Spaß verstehen, am liebsten erotische Literatur aus dem Kanon, angeblich anstößige Bilder aus den Museen schmeißen möchten – und die dem Johann Strauß seine marmorne Umrahmung neiden. Aber trifft das zu?

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.