Leitartikel

Sterben für Jalalabad? Die Europäer spielen wieder mit Zinnsoldaten

(c) REUTERS (Mike Hutchings)
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Wer im Lichte des afghanischen Debakels zu Recht nach „strategischer Autonomie“ für Europa ruft, muss auch bereit sein, notfalls Krieg zu führen.

Am 29. Juni 1991, beim Verlassen des Europäischen Rats in Luxemburg, sprach der damalige luxemburgische Außenminister, Jacques Poos, denkwürdige Worte über die sich zusammenbrauende Krise in Jugoslawien. „Das ist die Stunde Europas. Es ist nicht die Stunde der Amerikaner.“ Die europäischen Regierungen hätten eine besondere Verantwortung, in dieser Krise zu handeln. Wir wissen, wie die Geschichte ausging: Die „Stunde Europas“ war rasch vorüber, und hätten die Amerikaner nicht vier Jahre später beschlossen, die bosnisch-serbischen und jugoslawischen Streitkräfte kurz und klein zu bomben, würde man heute vermutlich nicht nur eines Völkermords in Srebrenica gedenken, sondern vieler.

30 Jahre später hat sich die Debatte über Europas sicherheitspolitische Eigenständigkeit kaum weiterentwickelt. Gewiss gibt es in Brüssel einen Beratungsausschuss der Verteidigungsministerien, und man sieht zur Mittagszeit prachtvoll uniformierte Militärattachés durch das Brüsseler EU-Viertel spazieren. Doch von den „Battlegroups“, jenen jeweils 1500 Mann starken sofort gefechtsfähigen Verbänden, welche die Mitgliedstaaten gemeinsam aufstellen, ausrüsten und im Krisenfall einsetzen, ist nichts zu sehen. Sie sind Zinnsoldaten in den Strategiepapieren Brüsseler Bürokraten, eine Geisterarmee guter Vorsätze. Denn wofür man diese Bataillone unter dem blau-gelben Sternenbanner einsetzen wolle, darüber ist man sich heute ebenso wenig einig wie 1991.

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