Besprochen

Wenn alles echt falsch ist

Picus Verlag
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Reinhard Tötschinger erforscht in seinem Debütroman „Rochade“ die Kunstwelt und Österreichs politischen Status quo.

Als 2022 ein Anschlag auf Jan Vermeers berühmtes Gemälde „Die Malkunst“ verübt wird, landet das beschädigte Bild auf dem Tisch von Professor Clemens Hartmann, Chefrestaurator im Wiener Kunsthistorischen Museum. Hartmann veranschlagt für die komplizierte Arbeit acht Monate, hat dabei aber nicht mit dem Kanzler gerechnet. Dieser will das restaurierte Bild beim Besuch des chinesischen Staatspräsidenten in drei Monaten in seinem Büro hängen haben. Koste es, was es wolle. Zum Beispiel Hartmanns Job. Doch auch der ist erfinderisch.

Reinhard Tötschinger hat mit seinem Debütroman „Rochade“ ein zutiefst Wiener Buch geschrieben, vom obligaten mürben Kipferl bis zur Atmosphäre im KHM. Doch der Roman will mehr sein. Im Zuge von Hartmanns Kabale, der dem Kanzler „Die Malkunst“ vorenthalten will, entwickelt Tötschinger ein vielschichtiges Spiel, wann etwas echt, eine Kopie oder eine Fälschung ist. Hartmanns Widerstand speist sich aus seiner Familiengeschichte. Sein Großvater, auch Kunsthistoriker, wirkte mit, die damals im Besitz der Familie Czernin befindliche „Malkunst“ für das nie realisierte Führermuseum in Linz zu akquirieren.

Um diese Parallele herauszuarbeiten, streut Tötschinger Rückblicke ein, unter anderem ins Jahr 1940. Damit begibt er sich aufs Glatteis. So sehr seine Kritik an vielen Aspekten der Gegenwart nachvollziehbar ist, so unangebracht ist der Vergleich mit einer Zeit, als Bilder wirklich mit allen Mitteln beschafft wurden, mit einem Kanzler, der Druck auf einen Restaurator ausübt, früher mit der Arbeit fertig zu werden.(do)

Reinhard Tötschinger: „Rochade“, Picus-Verlag, 288 Seiten, 22 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2021)

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