Morgenglosse

Dieser Glaubenskampf stand nicht am Lehrplan

Die Presse/Clemens Fabry
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Nun stehen sich auch im Klassenzimmer Geimpfte und Ungeimpfte unversöhnt gegenüber. Ein Versagen der Verantwortlichen.

Nun kennt also jeder jemanden, dessen Schulkind von Corona-Infektionen in der Klasse berichtet. Das war zu erwarten. Was nicht zu erwarten war, ist das Chaos, das über Schulen, Eltern und Kinder hereinbricht. Die Kinder stehen auch hier wieder an letzter Stelle, als hätten sie bisher nicht schon genug mitgemacht. Niemand hat mehr Tests absolviert in den vergangenen Monaten, so er sich denn (ab dem Alter von sechs Jahren in Wien) in irgendeiner Form am öffentlichen Leben beteiligen wollte (oder musste).

Wie immer sind die Interessen der Erwachsenen von der eigenen Situation abhängig. Wessen Kinder geimpft sind, hofft, dass diese endlich auch Vorteile genießen können. Wer ein ungeimpftes Kind hat, weil es zu jung ist, will, dass möglichst viel Sicherheit gegeben ist – heißt, eine lange Quarantäne-Zeit für Verdachtsfälle. Wer ein Kind hat, das als K1 negativ getestet in Quarantäne ist, hofft auf verkürzte Absonderung. Direktoren, die sich mit ihren Sicherheitskonzepten profilieren wollen, teilen diese Auffassung nicht – je weniger Fälle, desto mehr Lorbeeren für die Schulführung.

Wer sein Kind bewusst nicht impfen lässt, hat offenbar keine Sorge, dass es allzu krank werden könnte, fühlt sich auch nicht zu Solidarität anderen gegenüber verpflichtet und möchte eine möglichst kurze Absonderungszeit. Dass Schulen und ganze Klassen schließen, wünscht sich sowieso grundsätzlich niemand. Diese Szenarien und Unterszenarien können beliebig weiterverzweigt werden. Soweit, so unübersichtlich. Nun gab es den Beschluss des Bildungsministeriums, das allerdings offensichtlich mit dem Gesundheitsministerium im Clinch lag, die Quarantäne auf Sitznachbarn und auf fünf Tage zu beschränken. Dennoch wehren sich offenbar etliche Schulen, dies auch sofort umzusetzen – mit dem Verweis auf einen Erlass, der allerdings gar nicht notwendig ist, da die Absonderung  Sache der Landessanitätsdirektionen ist.

„Gute“ und „Böse"

Völlig aus dem Blickfeld gerät die Situation in den Klassen selbst schon nach zwei Wochen (im Osten). Da werden jene (ungeimpften) Kinder attackiert, die offenbar Argumente ihrer Eltern wiederholen (etwa „Geimpfte Kinder werden früher sterben“), geimpfte Schüler hadern wiederum damit, dass sie bisher nicht den kleinsten Vorteil genießen können. Aber wenn sie das dürfen – keine Masken mehr tragen, nicht mehr testen müssen – was entsteht dann: eine Gruppe von „Guten“ und eine von „Bösen“ (je nach Blickwinkel). Was wird da auf dem Rücken der Schüler ausgetragen, die entweder gezwungen werden, sich gegen ihre Eltern aufzulehnen oder die Rolle des Parias einzunehmen und dies auch noch verteidigen zu müssen?

Was kann getan werden? Die Aufforderung der Bildungsdirektion an Schulen, schriftlich zu erheben, wie es mit der Impfbereitschaft aussieht, ist ein guter Schritt. Da gibt es zumindest kein „vielleicht“ mehr, sondern ein klares Ja oder Nein. Jenen Eltern, die auf ein Nein beharren, muss ein (niederschwelliges) Aufklärungsangebot gemacht werden – warum kann es keinen Informationsabend mit  Kinderärzten geben? Und letztendlich muss Eltern klar gemacht werden, dass sie ihren Kindern irgendwann einmal Rede und Antwort stehen müssen, warum sie wie entschieden haben. Die Schüler dürfen nicht ausbaden, dass es nach so langer Zeit noch immer sie es sind, die Spielbälle von Ideologie gepaart mit Handlungsunfähigkeit sind.  

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