Seltene Erden: Der Westen tappt in Chinas Falle

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Peking drosselt die Exporte der Hightech-Metalle 2011 nochmals um 30 Prozent. Den Abbau anderswo zu reaktivieren dauert ca. 15 Jahre. Damit eröffnet China endgültig eine Front im Handelsstreit mit dem Westen.

Wien. Nur Streber und besessene Chemie-Freaks kannten in der Schule alle Elemente des Periodensystems. Eine Gruppe von 17 Elementen aus dem unteren Bereich galt selbst unter Lehrern als für die Bildung entbehrlich. Sie erheiterten allenfalls durch ihre Namen: Praseodym, Promethium oder Gadolinium, ergänzt um nachrangige Begleiter von Erzen wie Gallium oder Yttrium.

Gut möglich, dass diese „Seltenen Erden“ bald einen prominenten Platz im Lehrplan einnehmen. Denn man braucht sie für fast alle Zukunftstechnologien, sie kommen fast zur Gänze aus China und werden nach dem Willen Pekings immer knapper und teurer: Seit 2005 wird ihr Export gedrosselt, heuer um ganze 40 Prozent.

Nun sickert aus dem Handelsministerium durch, dass die Quoten für Seltene Erden auch 2011 drastisch nach unten gefahren werden – um weitere 30 Prozent. Das berichtet die Zeitung „China Daily“. Eine „strategische Reserve“ von 200.000 Tonnen ist im Entstehen, die Exportzölle sollen auf bis zu 25 Prozent steigen.

Damit eröffnet das Reich der Mitte endgültig eine neue Front im Handelsstreit mit dem Westen. Die Technologiemetalle könnten sich auf Dauer als ähnlich starkes Druckmittel erweisen wie der niedrige Kurs des Yuan. Denn sie stecken in iPhones und Windkraftanlagen, in Batterien für Hybridautos und in Festplatten, in Röntgengeräten und Flachbildschirmen. Sorgen macht sich auch das Pentagon: Ohne diese Rohstoffe sind seine „schlauen“ Panzer ungesteuert, die „intelligenten“ Bomben verfehlen ihr Ziel.

China kontrolliert etwa 95 Prozent des weltweiten Abbaus. Dabei sind diese Erden bei Weitem nicht so selten, wie ihr Name suggeriert. In der Erdkruste sind sie recht reichlich vertreten. Die USA, Australien, Grönland, Brasilien, Russland und Indien sitzen auf ungehobenen Schätzen. Nur 30 bis 60 Prozent der Reserven entfallen tatsächlich auf die Chinesen.

Grüne Gründe vorgeschützt

Aber sie haben im letzten Jahrzehnt die Welt mit den begehrten Metallen überschwemmt – dank höherer Konzentration, niedriger Arbeitskosten und laxer Umweltstandards zu konkurrenzlos günstigen Preisen. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass die Minen in Kalifornien und Australien ihre Förderbänder stoppten, die Verarbeiter ihre Maschinen nach China verschifften und auch die Patente ebendort landeten.

Damit ist der Westen wohl in eine Falle geraten. Schon in den letzten Jahren sicherte sich China Rechte auf Vorkommen in Afrika und Zentralasien, oft kombiniert mit Krediten „zum Nulltarif“, wie der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft vor Kurzem beklagte – ein willkommener Köder in der Krise. Damit erlangte die chinesische Staatswirtschaft ein Quasi-Monopol. Von nun an kann sie die Preise diktieren.

Offiziell stehen hinter der Drosselung der Mengen freilich andere, durchaus löbliche Gründe: Gegen den verbreiteten illegalen Abbau, die zu schnelle Ausbeutung wende sich die Maßnahme. Künftig sollen nur mehr einige wenige Staatsfirmen fördern, und das ökologisch korrekt. Das Ausland bleibe versorgt, beteuern Politiker.

Derweil preisen Chinas Zeitungen die kostbaren Elemente unverblümt als „Waffe der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts“. Welche Waffen aber hat der Westen? Er könnte vor der Welthandelsorganisation klagen, deren Mitglied China seit 2001 ist. Doch WTO-Verfahren ziehen sich. Noch länger dauert es, die Patente zurückzukaufen, die stillgelegten Minen zu reaktivieren und neue Anlagen zur Veredelung zu bauen. Für die gesamte Logistikkette rechnet der US-Rechnungshof mit einem Zeitraum von 15 Jahren.

In dieser Frist könnte Peking westliche Kunden durch prohibitive Exportpreise zwingen, Fabriken und Entwicklungsabteilungen nach China zu verlegen – oder im Gegenzug zur Ware die Technologie zu ihrem Einsatz zu liefern. Es geht also nicht um schnelles Geld, da sind sich die meisten Experten einig. Es geht um nicht weniger als die Wertschöpfung der Zukunft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2010)

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