Film

Der nostalgische Utopist

Bernhard Paul
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„Ein Clown/Ein Leben“ ist ein berührendes Psychogramm.

„Zirkus muss Zirkus bleiben“, sagt Herr Direktor Rosak vom Verband der österreichischen Zirkusdirektoren zu Beginn des Films (in einer Szene aus einem „Club 2“ von 1976) über Bernhard Paul, der sich erfrecht hat, seiner Berufung zu folgen und den Zirkus seiner Kindheit neu aufleben zu lassen. Filmemacher Harald Aue entlockte dem Medienprofi Paul über eine Spielzeit von einer Stunde und 45 Minuten viel Persönliches: „Ein Clown/Ein Leben“ wurde eine Art Psychogramm, das zeigt, wie Motive aus der Kindheit ein ganzes Leben lenken können.

Paul wehrt sich gegen den Fortschritt, wo er Hässlichkeit gebiert. Er verwandelt sich in den Clown Zippo, um das altehrwürdige Gewerbe des melancholischen Späßemachers in die Gegenwart herüberzuretten. Zum von ihm engagierten, reifen Clown Fredi Codrelli sagt er beruhigend: „Wir werden einen gemütlichen Zirkus machen. Wir werden auf der Veranda des Zirkuswagens sitzen und Erdbeeren mit Schlag essen.“

So kam es wohl auch. Humor half ihm, die ersten Rückschläge zu überleben. Basis dieses Humors war der gemeinsame Besuch der Graphischen Lehranstalt in der Wiener Leyserstraße, mit Manfred Deix und Gottfried Helnwein in einer Klasse, in der sich anarchischer Witz ausbreitete. Am vielleicht berührendsten sind die Szenen, in der Paul die Zeit zurückdrehen will, etwa indem er die Fünfzigerjahre-Küche seiner Mutter rekonstruierte. Ernst Molden und der Nino aus Wien haben eine Reihe feiner Zirkuslieder dazu komponiert, die Aue subtil eingebaut hat.

Kurz: eine sehr gelungene Hommage an einen nostalgischen Utopisten. (sam)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2021)

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