Orban-Ablöse?

Ungarn: Klára Dobrev sieht sich auf Siegeskurs

APA/AFP/ATTILA KISBENEDEK
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„Jetzt ist Ungarn an der Reihe“, sagt die Spitzenkandidatin der ungarischen oppositionellen Demokratischen Koalition und prangert dabei auch Subventionen an „Orbans Oligarchen" an.

Die Spitzenkandidatin der ungarischen oppositionellen Demokratischen Koalition (DK), Klára Dobrev, will die Opposition zusammenhalten sowie die ungarische Gesellschaft einen. Sollte sie die Vorwahlen für den Oppositionskandidaten, der den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ablösen soll, gewinnen, sei sie auch um enge Beziehungen zu Österreich bemüht.

Bis ins Amt der Regierungschefin ist es wohl noch ein langer, steiniger Weg, zumal sich auch ihre Mitkonkurrenten Gergely Karácsony und Péter Márki-Zay behaupten, mit Dobrev könnte Orbán bei den Parlamentswahlen 2022 nicht besiegt werden. "Ich befasse mich nicht mit meinen Mitbewerbern, sondern mit den Menschen, möchte ganz Ungarn ein attraktives Zukunftsbild bieten", erklärte sie dazu. Auf Einwände ihrer Person gegenüber, auf Angriffe reagierte sie nicht.

Dobrev will die Unterstützung der Wähler gewinnen und nicht die der Konkurrenz. Nach jüngsten Umfragen liegt sie weiter auf dem ersten Platz in der Wählergunst. Zugleich forderte die Sozialdemokratin die Mitbewerber auf, bei der Negativ-Kampagne Grenzen einzuhalten. "Nach Ende der Vorwahl müssen sich alle Kandidaten hinter den Sieger oder die Siegerin stellen, denn wir sind einander keine Gegner, sondern die Gegner von Orbán." Dabei dürfte das wahre Ziel keinen Moment aus den Augen verloren werden, nämlich der Aufbau eines auf dem Rechtsstaat basierenden gerechten und solidarischen Ungarn.

Obwohl die Anhänger von Dobrev sie als Garant für dieses neue Ungarn sehen, werden zugleich auch Ängste formuliert, dass mit der Stimme für Dobrev ihr Ehemann, der umstrittene Ex-Premier Ferenc Gyurcsány, an die Macht zurückkehrt. Das sei alles "Schnee von gestern", behauptete Dobrev und erinnerte an die Entwicklung der DK, deren Vorsitz Gyurcsány einnimmt. Unter ihm sei die 2011 gegründete DK zur stärksten Oppositionspartei geworden, hätte 2019 die meisten Oppositionssitze im EU-Parlament gewonnen. Einen davon hat Dobrev inne, zugleich das Amt einer der Vizepräsidentinnen des Europaparlaments.

Dobrev will die Opposition zusammenhalten. Dabei gehörten Spannungen, das Rücktrittsdebakel zwischen Karácsony und Márki-Zay vor der zweiten Wahlrunde zum politischen Kampf, auch wenn sie nicht die schönsten seien. Dobrev ersuchte zugleich die Seiten darum, keine Äußerungen zu machen, die den Zusammenschluss gegen Orban gefährden würden. Auch die bereits begonnene Postenverteilung für eine künftige Regierung lehnt sie ab. Karácsony hatte ihr das Amt der Außenministerin bereits offeriert. "Wir haben uns verbündet, um Orbáns Regime zu besiegen und anstelle dessen einen fairen, ehrlichen und gerechten Rechtsstaat aufzubauen, und nicht, um verschiedene Machtpositionen zu verteilen", meint Dobrev. Zudem bereite sich das Bündnis auf eine Koalitionsregierung vor, in der die sechs Parteien die Aufgaben und die für deren Durchführung geeignetsten Akteure gemeinsam festlegen müssen.

„Erheblicher Teil der EU-Subventionen“ ging an „Orbans Oligarchen"

Dobrev sieht sich gegenüber ihren Mitkonkurrenten Karácsony und Márki-Zay im Vorteil. "Der Zusammenhalt einer Sechs-Parteien-Koalition erfordert außerordentlich viel Empathie, Aufmerksamkeit, Kompromissbereitschaft." Das seien alles Argumente für ihre Person. "Da die Debatte meiner Konkurrenten in Ungarn verfolgt wird, haben auch die Wähler Grund zu der Annahme, dass ich auch hier die Beste bin."

Die durch Orbán auf "fatale Weise gespaltene ungarische Gesellschaft muss erneut vereint werden". Orbán habe sich an der Macht gehalten, indem er Hass schürte, sei es gegen den US-Milliardär George Soros, Brüssel, Flüchtlinge oder die LGBTQ-Gemeinschaft. Unter Orbán habe sich die Kluft zwischen den wenigen Reichen und vielen Armen in einer im modernen Ungarn nie dagewesenen Weise vergrößert. "Unter dem Vorwand der wohlklingenden Rhetorik der Stärkung des nationalen Kapitals ist ein erheblicher Teil der EU-Subventionen an Orbáns Oligarchen, darunter auch Mitglieder seiner eigenen Familie, geflossen. Durch seine Strohmänner ist Viktor Orbán heute zweifellos der reichste Mann Ungarns."

Dass eine Frau Ministerpräsidentin in Ungarn werden könnte, sieht Dobrev durchaus als real an. Dabei käme ihr nicht nur Deutschland und Angela Merkel in den Sinn, sondern viele andere Länder, wie die Slowakei, Polen, Rumänien, Kroatien, Slowenien, die Ukraine, wo Frauen das Amt der Regierungschefin oder Staatspräsidentin inne hatten oder haben. "Sie haben sich alle hervorragend an der Spitze behauptet." Ungarn habe noch nie eine solche Erfahrung gemacht. "Jetzt ist Ungarn an der Reihe."

Gute Beziehungen zu Nachbarländern

Falls Dobrev doch nicht Spitzenkandidatin der Opposition würde, folgt dann der Rückzug nach Straßburg ins EU-Parlament? Sie habe keinen "Plan B", antwortete Dobrev. Sie wolle die Vorwahlen und dann die Parlamentswahlen gewinnen und als erste Ministerpräsidentin Ungarns ihr Land zurück in die Gemeinschaft der demokratischen, sozialen, gerechten Länder führen, die Rechtsstaatlichkeit wieder herstellen.

Auch die guten Beziehungen zu den Nachbarländern stehen auf der Agenda von Dobrev. Sie habe viele ausgezeichnete Kontakte zu österreichischen Politikern, "nicht nur zu Sozialdemokraten aus meiner eigenen Parteifamilie, sondern auch zu hervorragenden Volkspartei-Politikern, mit denen wir trotz unserer verständlichen Meinungsverschiedenheiten in den wichtigsten Fragen auf Augenhöhe sind, auch was die Einschätzung der Tätigkeit der Regierung Orbán betrifft. Ich möchte Österreich versichern, dass sich die Regierung unter meiner Führung um sehr enge und freundschaftliche Beziehungen zu Ihnen bemühen wird", beteuerte die Politikerin.

(APA/DPA)

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