Kurznachrichten halten die Welt in Atem, das Burgtheater veröffentlicht heute gar Videolesungen der türkisen „Chatprotokolle“. In Filmen sorgen Chats und SMS indes schon seit Jahren für Spaß und Spannung.
Das perfekte Geheimnis
Von Bora Dagtekin, 2019
Wie viel Wahrheit steckt in einer Chatnachricht? Auf die sprichwörtliche „Goldwaage“ lässt sich diese per definitionem nicht legen: Schon das englische Verb „to chat“ bedeutet ausdrücklich spontanes und informelles Geplauder. Zugleich lässt sich argumentieren, dass „wahre“ Absichten, Begehrlichkeiten und Stimmungslagen gerade im zwanglosen, semiprivaten Kontext der saloppen Kommunikation per Kurznachricht deutlicher als im direkten Sozialkontakt zutage treten. Auf dieser Mutmaßung fußt der Erfolg der Dramödie „Perfetti sconosciuti“, die 2016 das italienische Publikum begeisterte – und bald erstaunlich viele Remakes in aller Herren Länder zeitigte. Es liegt wohl am bestechend einfachen Konzept, unverändert auch in der deutschen Variante „Das perfekte Geheimnis“. Ein Paar lädt alte Freunde zum Dinner, zum Zeitvertreib wird ein pikantes Spiel gespielt: Alle Handys kommen auf den Tisch, sämtliche Anrufe werden auf Lautsprecher geschaltet, eingehende Nachrichten laut vorgelesen. Freilich kommt alsbald Frivoles ans Licht. Der Abend eskaliert. Und schenkt letztlich Katharsis: Endlich können alle sagen, was sie denken, und Ehrlichkeit ist (in Maßen) gesund. Es sei denn, sie hat strafrechtliche Relevanz. Sky
Non-Stop
Von Jaume Collet-Serra, 2014
Es ist ein bewährtes Thriller-Motiv: der unheimliche Unbekannte am anderen Ende der Leitung. Was will die unsichtbare Person? Warum ruft sie an? Im Zeitalter der SMS-Botschaften und WhatsApp-Chats kommt hier noch Stimmlosigkeit dazu, was die Identifikation der Bedrohung schwieriger macht – und die Spannung weiter steigert. Besonders konsequent durchexerziert vom routinierten Wühlkisten-Hitchcock Jaume Collet-Serra im Nägelbeißer „Non-Stop“: Ein Sicherheitsbeamter (Liam Neeson) bekommt bei einem Passagierflug unvermittelte Drohmeldungen auf sein Smartphone geschickt, die sich bald brutal bewahrheiten. Wer steckt dahinter? Sitznachbar, Steward, Pilot? Nahezu höhnisch poppen die Sprechblasen im Bild auf – das Böse tippt mit leisen Fingern. Sky
Unknown User
Von Levan Gabriadze, 2015
Horrorchat, die Zweite: In diesem sogenannten „Desktopfilm“ (der sich zur Gänze auf Computer-Bildschirmen abspielt) wird eine Skype-Runde samt Chat von einem „unbekannten Nutzer“ gekapert. Schnell mehren sich die Anzeichen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht – und dass jemand für ein arges Vergehen aus der Vergangenheit Rache üben will. Bemerkenswert, wie hier fast alle Paranoia-Formen, die sich an zeitgenössische Kommunikationstechnologien koppeln lassen, auf den Schreckeffekt hin durchgeackert werden: Nachrichten, die sich nicht löschen lassen, Sender, die sich als Blender entpuppen, Ungustiöses aus privaten Archiven, das plötzlich an der großen digitalen Glocke hängt. Netflix
E-M@il für Dich
Von Nora Ephron, 1998
Wenn alle so viel Zeit in ihre Digitalkorrespondenzen stecken würden wie Meg Ryan und Tom Hanks in diesem Rom-Com-Klassiker aus der Internet-Steinzeit, dann gäbe es wohl ein paar Polit-Skandale weniger auf der Welt. Wobei hier eher Briefromane Pate standen als die reflexartigen Blitzbotschaften der Netzkultur – und nicht zuletzt Ernst Lubitschs schöner Liebesfilm „Rendezvous nach Ladenschluss“, in dem sich James Stewart und Margaret Sullavan in anonymen Avisos umgarnen, während sich ihre öffentlichen Ichs im Arbeitsalltag in die Haare kriegen: Menschen, die gern schreiben, was sie sich denken, tun sich oft schwer damit, zu sagen, was sie fühlen. Sky
Personal Shopper
Von Olivier Assayas, 2016
Chatnachrichten haftet etwas Gespenstisches an: Körperlos schweben sie im digitalen Äther, ohne greifbaren Ursprung, ohne sichtbaren Adressaten, ein Sprachgespinst aus flimmernden Lettern, untote Gedanken, in Bildschirm-Bernstein gefangen. Den meisten Filmemachern ist das freilich zu viel der Poesie: Sie haben im Laufe des vergangenen Jahrzehnts gelernt, Onlinebotschaften im Dienste der gut geölten Laufbild-Erzählung effizient (und kostengünstig) zu inszenieren – als Einblendungen im Bild, als flexible Unter- oder Zwischentitel, als beiläufige Textverlesungen im Off. Das flutscht: Längst sind wir Zuschauer darin geübt, Kinochats zügig auszuwerten. Dass selbige in all ihrer (wenigstens auf den zweiten Blick) befremdlichen Seltsamkeit und Umständlichkeit – also unverfälscht – präsentiert werden, kommt nur noch selten vor. In seinem verhuschten Geisterfilm „Personal Shopper“ macht der französische Kino-Intellektuelle Olivier Assayas ebendies: Kristen Stewart spielt darin eine Privatassistentin, die den Tod ihres Bruders betrauert, als ihr Smartphone zu spuken beginnt: Sonderbare Nachrichten trudeln ein, verführen die Vereinsamte zum Gespräch mit dem Nichts. Diverse Anbieter (ab € 2,99)