Oberes Belvedere

Hier weht Dürers Geist durch alle Dinge

(c) Belvedere Wien, Foto: Johannes Stoll
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Zum 550. Geburtstag Albrecht Dürers zeigt man in der schönen Ausstellung „Dürerzeit“ seinen Einfluss auf die Kunst Österreichs zwischen Gotik und Renaissance.

Den Kopf mit dem langen Haar tief in den Nacken zurückgeworfen, den Körper fast hysterisch überdehnt, die knochigen Finger zur expressiven Geste verkrampft – ob Egon Schiele diesen Tänzer der Morisca, einem im 15./16. Jahrhundert beliebten maurischen Modetanz, kannte?
Nicht aus Wien zumindest, nicht aus dem Belvedere, wo das spätgotische Relief zurzeit auf selber Ebene, also auf Augenhöhe mit Schiele im anderen Schlossflügel, hängt. Es stammt ursprünglich vom Goldenen Dachl (um 1496/1500) und wurde für die Sonderausstellung „Dürerzeit“ vom Stadtarchiv Innsbruck ausgeliehen. Ein schöner, großer Wurf mit 120 Objekten, vielen Leihgaben, unterfüttert mit neuester Forschung und frisch Restauriertem – so soll es sein. Der Mittelalter-Kurator des Hauses, Björn Blauensteiner, hatte auch allen Grund, sich ins Zeug zu legen – so prominent wurde eine Ausstellung aus diesem Sammlungsgebiet der ehemaligen „Österreichischen Galerie“ noch nie präsentiert.

Man lockt dafür mit großem Namen: Albrecht Dürer, von dem das Haus selbst gar nichts besitzt, der bis auf einige Ansichten von seiner Durchreise Richtung Italien – aus der Albertina lieh man sich davon ein Innsbruck-Bild, aus dem Escorial eine sich magisch, fast wie durch eine Linse biegende Brennerstraßen-Landschaft – auch wenig Österreich-Bezug hatte. Ob Dürer je in Wien war, wo auf der Universität einige der Humanisten, mit denen er korrespondierte, lehrten, wird seit 2016 verstärkt diskutiert: Da fand man in der Bischofstorvorhalle unter dicker Schmutzschicht zwei gemalte Altarflügel, die von manchen Experten eindeutig Dürer zugeschrieben werden; andere bleiben skeptisch, so Blauensteiner, der aber betont: Ob Dürer-Original oder nicht, ändere nichts an der hervorragenden Qualität dieser Malerei. Sie ist als Projektion in der Ausstellung zu erleben, und zwar rund um das Epitaph, das einst das Zentrum der beiden Flügel gebildet haben muss, wie Putzspuren und Maße belegen. Die Gedenktafel des kaiserlichen Richters Hanns Rechwein von Honigsdorf wurde jetzt, ebenfalls aus dem Stephansdom, zumindest für eine virtuelle Zusammenführung mit seinen vermeintlichen Dürer-Flügeln ins Belvedere verfrachtet. Hübsch.

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