Automatisierungstechnik

Schwingungsfrei messen, auch wenn es wackelt

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SymbolbildClemens Fabry
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Ein Forscherteam der TU Wien entwickelt eine 3-D-Methode, um Mikrochips und andere Bauteile während des Produktionsprozesses zu vermessen. Das Gerät hat nur die Größe einer Espressotasse.

In Zeiten, in denen Mikrochips Mangelware sind, ist es umso wichtiger, die Elektronikbauteile in ausreichender Qualität zu produzieren. Teile, die den Ansprüchen nicht gerecht werden, wandern in den Elektronikschrott und verschärfen so globale Umwelt- und Ressourcenprobleme.

Die Elektrotechniker Daniel Wertjanz und Ernst Csencsics haben im Christian-Doppler-Labor für Präzisionstechnologie (Leitung: Georg Schitter, Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien) ein roboterbasiertes 3-D-Messsystem entwickelt. Es ist kompakt, hat die Größe einer Espressotasse und kann für eine Inline-Messung von elektronischen Bauteilen wie Flatscreens, Displays, Solarpaneelen oder eben Mikrochips eingesetzt werden. „Mit dem neuartigen Messsystem integrieren wir sozusagen das Prüflabor direkt in die Produktionslinie“, erläutert Wertjanz. Dadurch ist es möglich, auf fehlerhafte Fertigungsprozesse prompt zu reagieren und gegenzusteuern. „Die große Herausforderung für das 3-D-Messsystem war, dass wir vibrationsfreie Laborbedingungen für eine korrekte Messung schaffen mussten“, sagt Csencsics. Die Fertigungsstraßen, in denen elektronische Bauteile hergestellt werden, sind oft nicht schwingungsisoliert. Mögliche Ursache kann beispielsweise eine Zugstrecke nahe dem Produktionsgelände sein.

Der „Mover“ gleicht es aus

„Man muss sich vorstellen, dass das Vermessen dieser Bauteile im Mikrometerbereich, also dem tausendsten Teil eines Millimeters oder kleiner, stattfindet“, sagt er. In diesem Messbereich sieht man jede noch so kleine Vibration als Messfehler, der zu falschen Schlüssen führt. Das 3-D-Messsystem besteht aus einem 2-D-Scanspiegel, der einen Weißlichtstrahl – Licht mit allen Wellenlängen – auf das Bauteil lenkt. Hinzu kommen ein „konfokaler“ 1-D-Sensor und ein freischwebender „Mover“ in einer Messplattform, die das Herzstück des Systems darstellt. Den Scanspiegel hat Csencsics 2018 im Rahmen seines Dissertationsprojektes entwickelt und dafür den Dr.-Ernst-Fehrer-Preis der TU Wien erhalten. „Wenn man in einem Flugzeug sitzt und das Bordmagazin im Vordersitz vibriert, tut man sich schwer, es zu lesen. Nimmt man die Zeitschrift aber in die Hand, schwingt sie nicht mehr so stark, weil die eigene Hand die Ausgleichsbewegungen ausführt“, führt Georg Schitter aus. Der freischwebende „Mover“ der Messplattform hat im Grunde die gleiche Aufgabe. Nämlich das Messsystem möglichst frei von Vibrationen zu halten und es gegenüber dem zu messenden Bauteil präzise zu positionieren.

Elektromagnetische Aktuatoren lassen den Aluminium-„Mover“ aufgrund des elektromagnetischen Feldes in dem Rahmen der Messplattform dafür frei schweben. Eine komplexe elektronische Steuerungs- und Regelungstechnik führt einen permanenten Soll-Ist-Abgleich zwischen der Position des Messsystems und der zu vermessenden Oberfläche durch. „Das ist schon ein ziemliches Ding“, sind sich die Forscher einig und freuen sich schon auf das Umsetzen des nächsten Entwicklungsschrittes. Das Messsystem soll mit einem Roboterarm kombiniert werden, um künftig eine integrierte Lösung für die Qualitätskontrolle in Fertigungsstraßen elektronischer Bauteile darzustellen.

Lexikon

Die Inline-Messtechnik wird als eine der Schlüsseltechnologien für die Produktion der Zukunft betrachtet. Bei diesem Messverfahren wird unmittelbar im Fertigungsprozess geprüft, womit eine 100-Prozent-Qualitätskontrolle und ein laufendes Überwachen des Prozesses bei der Fertigung vieler Hightech-Produkte gegeben sind. Für diese Aufgabe müssen Messprinzipien – die sonst nur in speziellen Laborumgebungen funktionieren – mithilfe intelligenter Systemlösungen präzise und flexibel in den Produktionsablauf integriert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2021)

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