Schokoladeproduktion

Die bittersüße Kakaoernte

(c) Marieke van der Velden
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Die Arbeitsbedingungen in der westafrikanischen Kakaoproduktion sind schwierig. Gutes Marketing und ein Prozess machen erneut darauf aufmerksam.

Der niederländische Journalist Teun van de Keuken kauft sich ein paar herkömmliche Schokoladenriegel, stellt eine Kamera auf, filmt sich beim Essen und zeigt sich dafür selbst an. Immerhin mache er sich mit dem Konsum der Schokolade mitschuldig an moderner Sklaverei und illegaler Kinderarbeit. Das war 2003 van de Keukens medienwirksamer Weg, auf die Arbeitsverhältnisse in der Kakaoproduktion Westafrikas aufmerksam zu machen.

Kakao wächst nur nahe am Äquator wirklich gut, die Hauptanbaugebiete befinden sich deshalb in Afrika (in erster Linie Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria), Südamerika (dort vor allem in Ecuador, Brasilien, Peru) und Südostasien (Indonesien). In Südamerika sind Lebensstandards und Löhne relativ gesehen höher, Produzenten besser organisiert in Kollektiven, was dazu geführt hat, dass sich die Kakaoproduktion immer mehr in afrikanische Länder verschoben hat, allen voran an die Elfenbeinküste, wo mittlerweile rund 39 Prozent des weltweiten Kakaobedarfs gedeckt werden.

Prozess, Corona und der Mindestlohn

Zwei Drittel der Nachfrage lassen sich auf die fünf größten Schokoladeproduzenten Mars, Mondelez, Nestlé, Ferrero und Hershey’s zurückführen, beliefert werden sie mehrheitlich von den größten Kakaoverarbeitern, die auch vor Ort ihre Werke besitzen, Barry Callebaut, Cargill und Olam. Auf Kakaoplantagen in Westafrika sind Fälle von Kinderarbeit gut dokumentiert, auch kommt es immer wieder zu Verschleppungen und Zwangsarbeit wegen des niedrigen Lohnniveaus und der Armut im Land.

Ein Bericht über Kinderarbeit des National Opinion Research Center an der Universität von Chicago aus dem Jahr 2020 geht davon aus, dass etwa 1,5 Millionen Kinder in Ghana und der Elfenbeinküste in der Kakaoproduktion arbeiten und sehr oft mit gefährlichen Werkzeugen und giftigen Pestidizen hantieren. Obwohl die großen Schokoladeproduzenten bereits 2001 mit dem Harkin–Engel Protocol in Washing

ton eine Absichtserklärung unterschrieben, gegen Kinderarbeit in der Kakaoproduktion vorzugehen, bleibt das Problem also weiter bestehen. Mit der Coronakrise spitzt sich die Lage zu, der Kakaopreis in Westafrika verfällt weiter, der Tageslohn der Kakaobauern sinkt, weshalb 2020 das „Living Income Differential” („Mindestlohn- Differenz“) in Ghana und der Elfenbeinküste eingeführt worden ist, um den Tageslohn zu stabilisieren. Zeitgleich wurde in Washington erstmals eine Sammelklage von acht Jugendlichen, die behaupten, an der Elfenbeinküste für die Kakaoernte versklavt worden zu sein, gegen einige der größten Produzenten und Lieferanten eingereicht. Verteidigt werden sie von der Menschenrechtsorganisation International Rights Advocates (IRA).

Andere inspirieren

2003 versucht also der niederländische Journalist Teun van de Keuken auf die schwierigen Bedingungen in der Kakaoindustrie aufmerksam zu machen. Die Staatsanwaltschaft lehnt die Klage ab, van der Keuken beschließt derweil, selbst in die Schokoladenbranche einzusteigen, und produziert mit seinem Unternehmen Tony’s Chocolonely Schokolade mit Fairtrade-Siegel. „Tony“ steht dabei für seinen Vornamen, „Chocolonely“ für den einsamen Kampf gegen Kinderarbeit. Über die Schokoladentafeln verlaufen unregelmäßige Bruchlinien, repräsentativ für die ungerechte Verteilung des Profits am Markt, verpackt sind sie in quietschbuntem Papier, die Geschmacksrichtungen sind ausgefallen von Brezel-Toffee bis Mandel-Meersalz. So weit, so gut das Marketing.

Das Unternehmen hat sich große Ziele gesetzt, will mehr oder weniger die gesamte Industrie von Kinderarbeit und moderner Sklaverei befreien. Dabei erlebt es auch immer wieder Rückschläge. 2007 muss Tony’s Chocolonely vom Slogan „100 % frei von moderner Sklaverei“ zurückrudern und umschwenken auf „auf dem Weg zu 100 % sklavenfreier Schokolade“, da man in den eigenen Lieferketten selbst im Fairtrade-Segment auf vereinzelte Fälle von Kinderarbeit stößt.

Tony Chocolonely
Tony Chocolonely

Viel kritisiert wird auch die Zusammenarbeit mit dem Kakaoriesen Barry Callebaut, was auch dazu führt, dass das Unternehmen von der Liste Slavefreechocolate.org gestrichen wurde. Von Unternehmensseite heißt es, der Schritt wurde bewusst gesetzt: „Eine unserer drei Säulen bei Tony’s lautet ,andere zum Handeln inspirieren‘. Wir wollen die Schokoladenindustrie, egal ob groß oder klein, von innen heraus verändern, und nur wenn andere Hersteller hiervon Teil sind, können wir unsere Vision, jede Schokolade 100 Prozent frei von moderner Sklaverei zu machen, erreichen“, so Eske Tammen, Brand-Managerin von Tony’s Chocolonely. Deshalb habe man sich auch bewusst für Kakaobohnen aus Westafrika entschieden. Die Unternehmenskommunikation ist dabei bemerkenswert offen, Entscheidungen werden auf der Website klar kommuniziert, in einem jährlichen Bericht werden Fort- und Rückschritte dargelegt. Mittlerweile wird die Schokolade des Betriebs in 35 Ländern vertrieben, seit letztem Jahr auch in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Unverwaschen

Auf der Liste von Slavefreechocolate. org findet sich neben vielen USamerikanischen Firmen, deutschen Betrieben wie Gepa, Vivani, Rapunzel Pure Organics und italienischen wie Karuna Chocolate auch Zotter als einziges österreichisches Unternehmen. Josef Zotter arbeitet zwar mit afrikanischen Lieferanten zusammen, dabei handelt es sich allerdings mehrheitlich um Kooperativen in Madagaskar, Uganda oder Tansania. Am westafrikanischen Markt fände man kaum transparente und somit auch vertrauenswürdige Handelspartner.

Josef Zotter
Josef Zotter(c) Heinz Stephan Tesarek

„Das Wichtigste ist, das auf jeder Tafel Schokolade steht, wo genau der Kakao darin herkommt. Diese Rückverfolgbarkeit wäre durch ein Lieferkettengesetz gegeben, und das würde auch die Kinderarbeit erschweren“, sagt Unternehmensführer Josef Zotter. Niemand könne garantieren, dass es nicht vereinzelt zu Unregelmäßigkeiten komme, weder wenn es um soziale noch um nachhaltige Aspekte geht. Für seinen Betrieb pflege er deshalb lange Handelsbeziehungen mit Partnern, denen er vertraut und die sich ganzheitlich nachhaltiger und sozialer Produktion verschrieben hätten, so käme es nicht zu Verwaschungen.

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