Kochbuchautorin

Nigella Lawson: "Guilty Pleasures gibt es nicht"

Nigella Lawson
Nigella LawsonMatt Holyoak
  • Drucken

Die britische Fernsehköchin Nigella Lawson im Gespräch über schlechten Geschmack, gute Rezepte und feierlichen Thymian.

Sich beim Essen zu versündigen ist für Nigella Lawson ein Ding der Unmöglichkeit. Die Grande Dame des britischen Kochfernehens steht für schuldlosen Genuss, bodenständige Küche und in selbstironischer Koketterie vorgetragene Kochtipps. Nun hat sie nach längerer Pause mit „Kochen, essen, leben“ wieder ein Kochbuch veröffentlicht, das die Gestaltung von Rezepten neu denkt, farblos- triste Eintöpfe glühend verteidigt und sich der rückhaltlosen Freude am Kochen widmet.

Wie schon andere Arbeiten zuvor ist Ihr neues Buch in einem beinahe literarischen oder zumindest essayistischen Stil verfasst. Wie kam es dazu?

Ich habe erst spät zum Kochen gefunden, mit 38 ist mein erstes Buch erschienen. Davor war ich Journalistin, und das nicht einmal im Food-Bereich. Als ich an meinem ersten Buch schrieb, wusste ich nicht, was dabei entstehen würde oder dass es Rezepte beinhalten würde. Ich habe einfach drauflosgeschrieben. So hat sich mein narrativer Schreibstil ganz natürlich ergeben.

Cheesecake
CheesecakeMatt Holyoak

Sie scheinen ähnlich viel Freude am Schreiben zu haben wie am Kochen. Sehen Sie Parallelen zwischen Ihren beiden Leidenschaften?

Absolut. Bei beidem geht es darum, Klarheit zu schaffen und Ordnung ins eigene Tun zu bringen. Wörter sind dabei wie Zutaten: Wenn ich ein Rezept schreibe, frage ich mich, was trägt diese Zutat bei, ist sie unbedingt notwendig. Nichts sollte am Teller landen, was sich seinen Platz dort nicht verdient hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Schreiben. Man will etwas, das man in sich hat — eine Idee, einen Appetit —, in die Welt hinaustragen.

Ein Großteil Ihres Buches ist während der Pandemie entstanden. Hat sie die Inhalte beeinflusst?

Natürlich! Im Lockdown ist nicht jeder schnell an Zutaten gekommen, viele Menschen haben allein und für sich selbst gekocht, und auch einige, die sich normalerweise selten in der Küche aufhalten, haben zum Kochlöffel gegriffen. Das habe ich natürlich berücksichtigt. Für mich selbst war das Kochbuch ein ständiger Begleiter und ein Grund, mich auf die Arbeit zu fokussieren.

Eines der Kapitel sollte den Titel „Wie man Gäste zum Abendessen einlädt, ohne sie (oder sich selbst) danach dafür zu hassen“ tragen. Haben Sie so schlechte Erfahrungen mit privaten Dinnerpartys?

Nein, nein. Nur oft lädt man Gäste ein und bereut es, wenn der Termin näherrückt. Vielleicht hatte man einen stressigen Tag, musste sich um die Kinder kümmern oder viel arbeiten. Das Kapitel soll Rezepte aufzeigen, die ohne großen Aufwand und in kurzer Zeit zubereitet werden können.

geröstete rote Paprika
geröstete rote PaprikaMatt Holyoak

Sie beschäftigen sich grundsätzlich mit bodenständiger Küche. Treffen Sie privat eine Unterscheidung zwischen Fine Dining und alltäglicher Küche?

Für klischeehafte gehobene Küche habe ich nichts übrig. Wenn es nur darum geht aufzuschneiden, den Köchen aber das Gespür und die Sensibilität für ihre Zutaten fehlt, wird das Ergebnis schnell zur Komödie oder Idiotie. Wenn man es allerdings mit einem talentierten Koch oder einer Köchin zu tun hat, ist mir egal, was er oder sie zubereitet, das Ergebnis wird stimmig sein. Ich hab’ allerdings das Gefühl, jene, die bodenständiger kochen, haben ein paar mehr Freiheiten in ihrer Handhabe.

Sie sprechen viel von Genuss in Ihrem Buch. Findet der genug Platz in unserem Alltag?

Ich befürchte, nein. Essen steht in unserer Gesellschaft oft für Status. Viele Menschen fühlen sich beurteilt beim Kochen. Reality TV und Kochshows unterstützen auch noch die Vorstellung, Essen müsste eine große Reaktion hervorrufen, als müsste jemand am Schluss aufstehen und klatschen, wenn ein Gericht gelingt. Gleichzeitig haben viele Menschen nie gelernt, der eigenen Geschmackspalette zu vertrauen. Ich kann Ihnen sehr genau sagen, was mir schmeckt und was nicht, was mir Genuss bereitet, wie ich auf welche Zutat reagiere. Dieses Wissen eröffnet mir einen ganz anderen Zugang zum Kochen.

Kann man Genuss denn erlernen?

Aber natürlich! Es gibt viele Arten, sich in Genuss zu üben. Unsere Geschmacksknospen können auch spät noch erwachen, dazulernen, sich an ungewohnte Geschmäcker herantasten. Leider verschwenden zu viele Menschen ihre Zeit damit, sich beim Essen zu kontrollieren — das betrifft bedauerlicherweise immer noch mehrheitlich Frauen. Dabei gibt es so etwas wie „Guilty Pleasures“ gar nicht.

Pasta mit Venusmuscheln
Pasta mit VenusmuschelnMatt Holyoak

Gibt es so etwas wie schlechten Geschmack?

Nein. Ich meine, natürlich wird es immer Menschen geben, die andere für ihren Geschmack bewerten. Ich habe nie den Sinn darin verstanden, Menschen für ihre Vorlieben zu bekritteln. Am Ende kann man sich immer nur auf den eigenen Geschmack verlassen.

Sie schreiben auch viel darüber, wie Sie Rezepte konzipieren. Was macht denn ein gutes Rezept aus?

Ein Rezept muss so oft erprobt worden sein, dass man sich vollends darauf verlassen kann. Es muss funktionieren, meine Leser sollen verstehen, was sie da tun und warum. Gleichzeitig sollte es die Fantasie anregen, genug Raum lassen, um selbst kreativ werden zu können, vielleicht auch Möglichkeiten aufzeigen, was man sonst mit den Zutaten anstellen könnte. Ein Rezept ist ein Weg, um mit Menschen in Verbindung zu treten. Im Hintergrund will ich mit jedem Rezept irgendwo auch zeigen, worum es beim Kochen eigentlich geht.

Gibt es bestimmte Gerichte oder Zutaten für bestimmte Anlässe oder Stimmungen in Ihrem Leben?

Das hat oft auch viel mit der Art, wie ich etwas esse, zu tun. Wenn ich etwa besonders müde oder angeschlagen bin, finde ich es besonders tröstlich, ein Gericht aus einer Schüssel zu essen. Oder etwas zuzubereiten, das bei jedem Bissen gleich schmeckt und sich gleich anfühlt, wie zum Beispiel Risotto. Außerdem koche ich gern vor, weil es mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, immer etwas essfertig parat zu haben. Besonders liebe ich den Geruch von frischem Thymian, der passt auch, wenn ich in Feierlaune bin.

Kann jeder Mensch kochen?

Viele Menschen glauben, Kochen ist komplizierter, als es wirklich ist. Ich gebe etwas in die Pfanne, gebe es wieder raus und fertig. Man braucht nur die richtige Einstellung. Mein erster Ehemann hat einmal für mich gekocht, und als ich in die Küche kam, stand er mit einem Kreuzworträtsel am Herd, während es in den Kochtöpfen blubberte. Da kann das Ergebnis kein gutes sein. Man muss wirklich anwesend sein in der Küche, dafür braucht es keine besonderen Fähigkeiten. Und die Sache nicht unnötig verkomplizieren. Immerhin schmeckt eine Schüssel Pasta mit getrocketen Chilischoten, Petersilie, Olivenöl und Knoblauch schon köstlich, das bekommt jeder hin.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.