Von Zynikern, Großrednern und Visionären – aus meinen Erlebnissen mit Tourismusministern
Mehrmals im Leben traf ich auf Tourismusminister (immer Männer). Der Schwindligste war der libysche – ein großer, schöner Mann. Wir begleiteten ihn 2004/05 mit Gaddafis Airforce-One-Maschine von Tripolis nach Ghat in die Wüste. Das Flugzeug hatte Sofas drin. Der Minister setzte sich und breitete eine Vision aus, während der ich dachte, okay, dieser Mann muss zum Arzt: Libyen habe 600 Kilometer perfekten Strand, in den nächsten zehn Jahren würden Hunderte Hotels eröffnen. Er sprühte vor Naivität – oder war Zyniker und glaubte selbst kein Wort davon. Oder ich war Zyniker und glaubte nicht an seine Visionen. Ich weiß nicht, wie viele Hotels tatsächlich eröffneten, zwei oder drei? Übermäßig moralisch schien mir dieser Minister auch nicht. Wir verbrachten mit ihm Silvester in der Wüste, Alkohol war in Gaddafi-Zeiten verboten, doch er und zwei seiner Haberer verließen unsere Party eine Stunde vor Mitternacht und kehrten, augenscheinlich betrunken, um zwei Uhr zurück.
Ein anderer Tourismusminister war jener von Costa Rica, auch dieser Faßmann-haft hochgewachsen. Keiner verstand sein ausschweifendes Gerede, rund um ihn hatte er eifrige Nick- und Applaudiersoldaten aus dem Ministerium versammelt, alle klein. Das Pressegespräch war eine Farce. Ich verzichtete auf Nachfragen.
Kürzlich traf ich den tunesischen Tourismusminister. Er strebe keine Investorenpolitik an, sondern „tourisme durable“, Schwerpunkt auf die soziale Komponente, Einbindung lokaler Communities in Projekte, dazu Kultur-, Stadt-, Filmlocation-, Thermal- und Medizintourismus (Thalasso), damit wolle er den klassischen Saisontourismus ausgleichen. Meine Fragen waren diesmal kritischer. Zum Beispiel, ob sich die aktuelle Regierung Tunesiens denn nicht vom Demokratischen ins Autoritäre verwandle? Der Minister, sichtlich nett-diplomatisch, wich ein wenig aus. Er verwies auf die starke Rolle der Frau in der Gesellschaft, erzählte sogar von seiner eigenen Mutter, einer Englischlehrerin. „Die Mutter ist deine wirkliche Schule“, meinte er. Sicher kein Diktator, dachte ich. Irgendwie fast Feminist.
("Die Presse Schaufenster" vom 12.11.2021)