Von den "Flämischen Primitiven" in den Wilden Osten

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bdquoFlaemischen Primitivenldquo Wilden Osten(c) AP (YVES LOGGHE)
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„Van Eyck bis Dürer“ im Groeningemuseum in Brügge: eine reichhaltige Wirkungsgeschichte. Die Dichte in den zehn Sälen überwältigt, man hat Leihgaben aus 80 europäischen und amerikanischen Sammlungen erhalten.

Nur zwei eigene Bilder von Jan van Eyck bei einer großen Ausstellung über die „Flämischen Primitiven“ im Groeningemuseum in Brügge? Bei einer Fülle von rund 300 Werken, die bei dieser Schau gezeigt werden? Chefkurator Till-Holger Borchert erklärt die Zurückhaltung. Man habe diesen großen Innovator der Ölmalerei bereits 2002 ausführlich gezeigt, als es im Kulturhauptstadtjahr dieser belgischen Stadt um die Beziehung der flämischen Künstler zu Italien ging. Diesmal aber, bei seiner zweiten großen Ausstellung hier über diese Maler des 15.Jahrhunderts, geht es Borchert um Neuland. Er will die künstlerische Revolution in Mitteleuropa von 1420 bis 1520 zeigen, die Auswirkungen der Bildsprache und der neuen Maltechniken von berühmten Meistern – wie van Eyck und Rogier van der Weyden – im Osten Europas. Und um diese Geschichte zu erzählen, hat sich Borchert auf die Reise in süddeutsche und österreichische Klöster, nach Wien, Budapest, Warschau und noch viel weiter gemacht.

Leihgaben aus 80 Museen

Zwischen einzelnen der berühmtesten Bilder, beginnend mit spätmittelalterlichen Niederländern, ist also eine Fülle an Werken von weniger bekannten oder auch anonymen Künstlern zu sehen. Die Dichte in den zehn Sälen überwältigt, man hat Leihgaben aus 80 renommierten europäischen und amerikanischen Sammlungen erhalten, Beträchtliches auch aus Österreich, aus der Albertina, dem Kunsthistorischen Museum, Klosterneuburg und dem Dommuseum zum Beispiel.

Das ist keine Schau für einen lockeren einstündigen Spaziergang, aber sie sorgt bei jenen, die sich intensiv auf Vergleiche einlassen, doch für Überraschungen; der Austausch zwischen der Handelsmetropole, die damals noch am Meer lag und Kaufleute aus ganz Europa beherbergte, und dem Osten des Kontinents war bereits zu Beginn des 15.Jahrhunderts bemerkenswert rege. Maler im gesamten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurden vor allem auch von den flämischen Meistern geprägt. In vielen Regionen war der Einfluss im Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit stärker als jener der italienischen Renaissance, besonders die dynastischen Verbindungen zwischen Bayern und Holland wirkten sich früh schon fruchtbar aus.

Welcher Künstler auf Wanderschaft würde auch nicht einen Umweg machen, um Jan van Eycks „Madonna des Kanonikus Joris van der Paele“ sehen zu können, dieses prächtige Gemälde (1434–36) mit seiner damals wohl aufsehenerregenden Perspektive, mit der prachtvollen Imitation wertvoller Stoffe und glänzenden Metalls? Van Eycks Schlüsselwerk dominiert den Beginn der Schau, die zu Meisterwerken Albrecht Dürers führt, wie zu jenem „Porträt eines Mannes“ (1521) aus dem Prado, das die flämischen Einflüsse verdeutlicht. Dürer kam zum Beispiel 1521 in die Niederlande, um die Meisterwerke der Ars Nova zu studieren. Auch seine Werke wurden dort umgekehrt rasch zum Studienobjekt.

Zwischen van Eyck und Dürer aber zeigt sich, welch hohe Qualität die Nacheiferer der ersten flämischen Generation in Mitteleuropa erreichten, Konrad Wirtz, Lukas Moser, Stephan Lochner etwa. Auch die Schüler in Flandern eigneten sich rasch die neuen Erkenntnisse an. Aus ganz Europa sind sie in Brügge, Gent oder Brüssel in die Lehre gegangen. Hans Memling kam aus Deutschland, um bei van der Weyden zu arbeiten. Er blieb in Brügge. Auch Holbein aus Augsburg, Schongauer aus dem Elsass, Pleydenwurff aus Nürnberg sowie Scharen anonym gebliebener späterer Meister arbeiteten in Flandern, um den Stil zu erlernen. Ein starker Teil der Schau besteht aus Skizzen und Zeichnungen. Sie zeigen, wie rasch sich das neu Erlernte verbreitete, sie waren auch das damals modernste Medium für das Ausbringen der Saat: Der flämische Stil breitete sich aus und erhielt, wie im Detail zu erkennen ist, regionale Aspekte, bis weit nach Ungarn, ins Baltikum und ins heutige Rumänien. Fantastische Funde sind Altarbilder aus Warschau, Breslau und Krakau, die sonst selten oder nie zu sehen sind. Diese reichhaltige Schau ist ein Labyrinth aus verborgenen und offenen Wechselwirkungen in Europa nördlich der Alpen, in dem man sich leicht verlieren kann.

Auf einen Blick

Bis 30.Jänner 2011 ist im Groeningemuseum die Schau „Van Eyck bis Dürer“ im Rahmen des Projekts „Brügge Zentral“ zu sehen. Dijver 12, 8000 Brugge. Täglich außer Montag von 9.30–18 Uhr, am 25.12.2010 und 1.1.2011 geschlossen. Eintrittspreis: Erwachsene 11Euro, Jugendliche bis 25 Jahre 1 Euro. Tel.: 003250442002. E–Mail: info@bruggeplus.be.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.brugge-centraal.be

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2010)

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