Vermisste Tennisspielerin

Peng Shuai: „Unklar, ob sie frei ist“

Chinas gefeierter Tennisstar Peng Shuai. Hier beim offiziellen Empfang der WTA Elite Trophy 2017 im südchinesischen Zhuhai.
Chinas gefeierter Tennisstar Peng Shuai. Hier beim offiziellen Empfang der WTA Elite Trophy 2017 im südchinesischen Zhuhai.(c) imago/Imaginechina (Zhong zhenbin)
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Videos, in denen die Tennisspielerin zu sehen sein soll, werfen noch mehr Fragen auf. Aber IOC-Präsident Bach telefonierte Sonntag mit ihr.

Peking. Nun also auch Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djoković, außerdem Serena Williams und Naomi Osaka – die bekanntesten Tennisspieler der Welt fordern, beunruhigt ob des Verschwindens von Kollegin Peng Shuai, Antworten von Chinas Kommunistischer Partei. Doch abgesehen von einem offensichtlich gefälschten E-Mail („Ich habe mich nur zu Hause erholt“) und zwei Social-Media-Videos, die Peng angeblich in einem Restaurant und bei der Eröffnung eines Jugendtennisturniers in Peking zeigen sollen, blieb die erhoffte Wirkung noch aus.

Seit die 35-jährige ehemalige Nummer eins der Doppelweltrangliste und zweifache Grand-Slam-Siegerin am 2. November auf der chinesischen Social-Media-Plattform Weibo detailliert einen sexuellen Übergriff von Zhang Gaoli, Chinas Vizepremier (2013–2018) und Ex-Mitglied des Politbüros, beschrieben hat, war sie nicht erreichbar. Auch nicht für die Damen-Tour WTA und deren Chef Steve Simon, der sich an die Spitze der besorgten Sportwelt stellte. Tag für Tag erneuerte er seine Drohung, alle WTA-Turniere in China zu streichen, sollte es keine aus seiner Sicht zufriedenstellenden Ergebnisse geben. „Wir sind definitiv bereit, unser Geschäft abzuziehen und mit den Komplikationen umzugehen. Diese Sache ist größer als das Geschäft!“

„Live in einer Telekonferenz“

Mit den jüngsten Videoclips von Peng, veröffentlicht von Hu Xijin, Chefredakteur von Chinas Staatszeitung „Global Times“, gibt sich die WTA nicht zufrieden. „Es bleibt unklar, ob sie frei ist und ihre eigenen Entscheidungen treffen kann“, sagte Simon. Vielmehr stellte er in einem Schreiben an Chinas Botschafter in den USA zwei Forderungen. „Ich ersuche darum, dass man ihr erlaubt, das Land zu verlassen oder dass sie live in einer Telekonferenz mit mir sprechen kann, ohne dass noch jemand dabei ist, außer es ist von ihr gestattet“, schrieb Simon. Zweitens sei die Anschuldigung eines sexuellen Übergriffs ernst zu nehmen.

Während die Causa längst bei den Vereinten Nationen und im Weißen Haus – US-Präsident Joe Biden zeigt sich „tief beunruhigt“ – angekommen ist, schweigt das Internationale Olympische Komitee (IOC). Und das zehn Wochen vor den Winterspielen in Peking. Die Organisation, die über 100.000 Olympia-Athleten vertritt – Peng nahm selbst an drei Spielen teil – erklärte: „Die Erfahrung zeigt, dass stille Diplomatie die besten Möglichkeiten bietet, eine Lösung in solchen Fragen zu finden.“

Dinner mit Thomas Bach?

Das IOC und sein Chef, der deutsche Ex-Fechter Thomas Bach, ernteten einen Sturm der Entrüstung. Wieder einmal wurde die Zweigleisigkeit des IOC deutlich. Während es vorgibt, eine nicht staatliche Organisation zu sein, ist Olympia doch ein Geschäftsmodell, das über 90 Prozent seiner Einnahmen aus Übertragungsrechten und Sponsoren geriert. Und dennoch hätte das IOC mit den Winterspielen in Peking das größtmögliche Druckmittel in der Causa Peng Shuai. Die Interessenvertretung Global Athlete schlug vor, das Chinesische Olympische Komitee zu suspendieren.

Sonntagabend kam leichte Entwarnung auf. Die Mühlen (der Diplomatie und die von Geschäftspartnern) mahlen langsamer, doch IOC-Präsident Bach führte ein Videotelefonat mit Shuai. Wie das IOC mitteilte, waren auch die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission, Emma Terho aus Finnland, und das chinesische IOC-Mitglied Li Lingwei anwesend. Zu Beginn des 30-minütigen Anrufs habe Shuai allen für die Sorge um ihr Wohlergehen gedankt.

Sie erklärte, dass sie in Sicherheit sei und wohlauf in ihrem Haus in Peking lebe. Sie fügte jedoch hinzu, dass ihre Privatsphäre zu dieser Zeit respektiert werden solle. Deshalb verbringe sie ihre Zeit gerade mit Freunden und Familie. „Ich war erleichtert zu sehen, dass es ihr gut ging, was unsere Hauptsorge war. Sie schien entspannt zu sein. Ich bot ihr unsere Unterstützung an, wir bleiben jederzeit in Kontakt“, sagte Terho.

Bach lud Shuai angeblich zu einem Abendessen ein, sobald er in Peking angekommen sei für die Winterspiele 2022. Und genau das klang wie die ganze Affäre: irritierend. Ob das überhaupt möglich ist angesichts strikter „Corona-Blasen“, die im Jänner und Februar 2022 von China verlangt wird? Da ist Akkreditierten der Kontakt zur Bevölkerung doch „untersagt“.

Die Kommunistische Partei ist jedenfalls alarmiert. Chinas Zensur streicht jede Debatte über den Fall. Suchen nach ihrem Namen oder nach #MeToo im chinesischen Internet bleiben geblockt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2021)

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